Inanspruchnahme von Pflegezeit nur einmal erlaubt

Das PflegeZG eröffnet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, durch einmalige Erklärung Pflegezeit bis zu sechs Monate in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn er die sechs Monate mit seiner Erklärung nicht ausschöpft hat, kann er keine weitere Pflegezeit für denselben Angehörigen geltend machen. Das PflegeZG räumt dem Arbeitnehmer nur ein einmaliges und kein mehrfaches Gestaltungsrecht ein.

Das BAG nimmt erstmals grundlegend zu dem am 01.07.2008 in Kraft getretenen PflegeZG Stellung. Es begründet ausführlich, warum das PflegeZG dem Arbeitnehmer ein einmaliges und kein mehrfaches Gestaltungsrecht einräumt.

Arbeitnehmer sollten sich daher vor der Inanspruchnahme von Pflegezeit genau überlegen, für welchen Zeitraum sie ihren Angehörigen pflegen wollen. Sie müssen damit rechnen, dass der Arbeitgeber weder einer Verlängerung der Pflegezeit noch einer weiteren Pflegezeit zustimmt.

Ausdrücklich offen lässt das BAG, ob der Arbeitnehmer die Pflegezeit im Wege einer einmaligen Erklärung auf mehrere Zeitabschnitte verteilen kann. M.E. spricht jedoch viel dafür, dass der Arbeitnehmer die Pflegezeit nur in einem zusammenhängenden Zeitraum nehmen kann, da das PflegeZG anders als das BEEG keine ausdrückliche Aufteilung auf mehrere Zeitabschnitte vorsieht.

Für Arbeitnehmeranwälte ist wichtig zu wissen, dass das PflegeZG dem Arbeitnehmer ein einseitiges Gestaltungsrecht einräumt. Der Arbeitnehmer kann daher nach Ausübung seines Gestaltungsrechts der Arbeit einfach fern bleiben und braucht nicht wie im Urlaubsrecht auf Freistellung zu klagen. Um einer Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung vorzubeugen, kann es sich für Arbeitnehmer in Zweifelsfällen empfehlen, beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung zu erheben, dass er in einem bestimmten Zeitraum in Pflegezeit ist und keine Arbeitsleistung schuldet.

BAG, Urteil vom 15.11.2011 – 9 AZR 348/10  (LAG Baden-Württemberg)

Kein Wegfall des Anspruchs auf Zahlung betriebsüblichen Weihnachtsgeldes durch jahrelange beanstandungsfreie Weiterarbeit

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Urteil vom 17.02.2012 ausdrücklich klargestellt, dass der Anspruch auf Zahlung betriebsüblichen Weihnachtsgeldes nicht durch jahrelange beanstandungsfreie Weiterarbeit wegfällt. In dem zu beurteilenden Fall zahlte der Arbeitgeber in den Jahren 1999 bis 2002 vorbehaltslos Weihnachtgeld. Ein Arbeitnehmer machte erst im Jahr 2011 Ansprüche auf Weihnachtsgeld für die Jahre 2008 bis 2010 geltend.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers sind die Regeln der sog. betrieblichen Übung. Wie das Arbeitsgerichtin der Vorinstanz  zutreffend ausgeführt hat, ist jedenfalls durch die im Zeitraum 1999 bis 2002 vorbehaltslos erbrachten Leistungen in Form von Urlaubs- und Weihnachtsgeld eine betriebliche Übung begründet worden, aus welcher sich ein Rechtsanspruch auf künftige Zahlung ergibt.

Entgegen dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils ist die entstandene betriebliche Übung aber weder durch eine entgegengesetzte „negative betriebliche Übung“ noch durch eine individuelle stillschweigende Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages beseitigt worden.

Ebenso wenig ist der durch Betriebsübung begründete Rechtsanspruch des Klägers nachträglich durch eine Individualvereinbarung beseitigt worden. Weder hat der Beklagte ein Angebot zur Vertragsänderung abgegeben, noch hat der Kläger ausdrücklich oder konkludent ein solches Angebot angenommen.

Der Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes war zudem weder verjährt noch verwirkt.

LAG Hamm, Urteil vom 17.02.2012, 8 Sa 1099/11

Mehrarbeit ist bei objektiver Vergütungserwartung zu vergüten

Arbeitgeber sind bei Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsregelung nach § 612 Abs. 1 BGB verpflichtet, geleistete Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Eine entsprechende objektive Vergütungserwartung ist dabei regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt bezieht, entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht.

Der Kläger war als Lagerleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.800 Euro bei der beklagten Spedition tätig. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart. Bei betrieblichem Erfordernis sollte der Kläger ohne besondere Vergütung zu Mehrarbeit verpflichtet sein. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt der Kläger Vergütung für 968 in den Jahren 2006 bis 2008 geleistete Überstunden.

Während das Arbeitsgericht Magdeburg die Klage noch abwies, hat das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt ihr stattgegeben. Auch das Bundesarbeitsgericht entschied auf die Revision der beklagten Spedition hin zugunsten des früheren Mitarbeiters, dass dieser einen Anspruch auf Überstundenvergütung nach § 612 Abs. 1 BGB hat.

Angesichts der Höhe des vereinbarten Bruttoentgelts war die Leistung von Überstunden nur gegen eine zusätzliche Vergütung zu erwarten, entschieden die Erfurter Richter. Der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit sei wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Insbesondere lasse der Arbeitsvertrag aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennen, welche Arbeitsleistung der Kläger für das regelmäßige Bruttoentgelt schuldete. Er habe bei Vertragsschluss nicht absehen können, was auf ihn zukommen würde.

BAG, Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 765/10

Vertragswidrige Privatnutzung eines Dientshandys

Wer mit seinem Diensthandy wiederholt private Gespräche führt, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Das gilt auch dann, wenn aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit eine ordentliche Kündigung nicht mehr möglich ist.

Ein im Bereich „Transport“ tätiger Hubwagenfahrer erhielt von seiner Arbeitgeberin ein Mobiltelefon zur dienstlichen Nutzung. Das Handy diente zur Kommunikation mit der Einsatzzentrale und weiteren betrieblichen Ansprechpartnern.

Bei mehreren Kontrollen der Abrechnungen durch die Arbeitgeberin fiel auf, dass der Hubwagenfahrer das Mobiltelefon privat nutzte, ohne die dafür vorgesehene private PIN zu nutzen, die das Gespräch als privat kennzeichnet. So führte der Arbeitnehmer unter anderem während seines Urlaubs mehrere Gespräche auf Kosten der Arbeitgeberin. Er wurde vom Dienst suspendiert. Aufgrund seiner Beschäftigungszeit von mehr als fünfzehn Jahren, war eine ordentliche Kündigung nicht möglich. Die Arbeitgeberin holte die Zustimmung des Integrationsamtes und des Betriebsrates zur fristlosen Kündigung ein.Der Hubwagenfahrer klagte gegen die Kündigung. Er machte geltend, er habe nie vorgehabt, der Beklagten die Telefonkosten tragen zu lassen. Vielmehr sei es zu irrtümlichen Versäumnissen bei der Benutzung der Privateinwahl gekommen.Das Arbeitsgericht (ArbG) Frankfurt hat der Klage stattgegeben und ausgeführt, die Beklagte hätte den Arbeitnehmer zunächst abmahnen müssen. Auf die Berufung der Beklagten hin hob das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) das Urteil des ArbG Frankfurt auf und wies die Klage ab.

Die unerlaubte Privatnutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstandys ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.

Eine Abmahnung war aus Sicht des Hess. LAG entbehrlich. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, die Arbeitgeberin würde die Privatnutzung dulden. Die unterbliebene oder verzögerte Kontrolle durch die Arbeitgeberin allein führt nicht zu einem Abmahnungserfordernis.

LAG Hamm, Urteil vom 08.09.2011 – 8 Sa 509/11

Kein Anspruch auf Weihnachtsgratifikation bei gekündigtem Arbeitsverhältnis

Der Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation kann vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig gemacht werden. Eine entsprechende Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand, entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht. Dabei komme es nicht darauf an, wer das Arbeitsverhältnis gekündigt habe. Voraussetzung sei aber, dass mit der Gratifikation nicht die Vergütung von Arbeitsleistungen bezweckt sei.

Die Klägerin machte die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2009 geltend, die mit der Vergütung für den Monat November zur Auszahlung kommen sollte. Nach dem Arbeitsvertrag ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn sich das Anstellungsverhältnis zum Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.11.2009 zum 31.12.2009 gekündigt.

Während die Vorinstanzen der Klage stattgaben, hob das Bundesarbeitsgericht auf die Revision des Arbeitgebers das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und wies die Sache zurück. Ob die Zahlung einer Sonderzuwendung unter die Bedingung des ungekündigten Bestehens des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt gestellt werden könne, sei abhängig von dem mit der Zuwendung verfolgten Zweck. Knüpfe die Zahlung – wie vorliegend – nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an, sei jedenfalls eine entsprechende Klausel mit der gesetzlichen Grundkonzeption des § 611 BGB zu vereinbaren und halte der Inhaltskontrolle stand.

Das Landesarbeitsgericht wird laut BAG jetzt aufzuklären haben, ob der Eintritt der Bedingung treuwidrig herbeigeführt wurde und deshalb nach § 162 Abs. 2 BGB als nicht erfolgt gilt. Die Arbeitnehmerin hatte hier behauptet, ihr sei gekündigt worden, weil sie nicht freiwillig auf die Zahlung der Weihnachtsgratifikation verzichtet habe.

BAG, Urteil vom 18.01.2012 – 10 AZR 667/10

Arbeitnehmer können Pflegezeit nur am Stück verlangen

Wollen Arbeitnehmer wegen der Pflege eines nahen Angehörigen eine Auszeit von ihrer Arbeit nehmen, können sie nur einmal eine Pflegezeit von ihrem Chef verlangen. Eine Aufsplittung der bis zu sechsmonatigen Pflegezeit ist nicht möglich, urteilte das Bundesarbeitsgericht.

Seit dem 01.07.2008 haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich von ihrer Arbeit ganz oder teilweise freistellen lassen, indem sie in unbezahlte Pflegezeit gehen. Dabei können sie sich maximal sechs Monate lang um pflegebedürftige Angehörige in deren häuslicher Umgebung kümmern. Der Arbeitgeber muss mindestens zehn Tage vor Inanspruchnahme der beabsichtigten Pflege schriftlich informiert werden. Die Pflegezeit kann jedoch nur verlangt werden, wenn der Arbeitgeber mindestens 15 Beschäftigte hat. Bei einer geringeren Beschäftigtenzahl besteht kein Anspruch auf Pflegezeit.

Im konkreten Fall hatte ein Betriebsmittelkontrolleur aus Baden-Württemberg im Juni 2009 seine Mutter einige Tage Zuhause gepflegt und dafür unbezahlte Pflegezeit genommen. Als er Ende Dezember 2009 erneut einige Tage eine Pflegezeit verlangte, lehnte dies sein Chef ab. Er war der Auffassung, die Pflegezeit könne nur einmal genommen werden.

Dieses Vorgehen ist auch nicht zu beanstanden, entschied nun der 9. Senat des BAG. Zwar bestehe Anspruch auf Pflegezeit für bis zu sechs Monate. Die Pflegezeit könne aber nur einmal für jeden pflegebedürftigen Angehörigen eingefordert werden. Werde die Pflegezeit dabei nicht voll ausgeschöpft, sei das Recht auf die restliche Pflegezeit „erloschen“.

Zusätzlich zur Pflegezeit sehen die gesetzlichen Bestimmungen auch eine Kurzzeitpflege von bis zu zehn Tagen vor, vorausgesetzt, es ist eine akute Pflegebedürftigkeit eingetreten. Dies hatte der Kläger im Streitfall aber nicht verlangt.

BAG v. 15.11.2011;AZ: 9 AZR 348/10

Vertragswidrige Privatnutzung eines Dientshandys

Wer mit seinem Diensthandy im Urlaub ausgiebig privat telefoniert, muss selbst bei langjähriger Anstellung mit fristloser Kündigung rechnen. Das geht aus einem kürzlich veröffentlichten Urteil des hessischen Landesarbeitsgerichts in Frankfurt hervor. In zweiter Instanz wiesen die Richter die Klage eines Hubwagenfahrers gegen die Lufthansa-Service-Gesellschaft (LSG) zurück. In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht Frankfurt noch die fehlende Abmahnung moniert und den Rauswurf deshalb für unwirksam gehalten.

Der Mann war mehr als 25 Jahre bei der LSG tätig. Um für Kollegen und Vorgesetzte im Dienst auf dem Rollfeld des Flughafens jederzeit erreichbar zu sein, hatte man ihm das Mobiltelefon zur Verfügung gestellt. Nach einem Urlaub erhielt die Firma von dem Netzanbieter eine Rechnung über Auslandsgespräche von mehr als 500 Euro. Zur Rede gestellt, sagte der Mitarbeiter, versehentlich die dienstliche statt die private Pin-Nummer eingegeben zu haben. Vom Gericht musste er sich aber vorhalten lassen, dies offenbar in 113 Einzelfällen verwechselt zu haben, was nicht sehr wahrscheinlich sei.

Eine ausgiebige Privatnutzung eines Diensthandys auf Kosten der Firma sei für den Arbeitgeber stets ein Grund zur fristlosen Kündigung, auch ohne Abmahnung, befand das Gericht. So hätte dem Arbeitnehmer auch ohne entsprechenden Hinweis klar sein müssen, dass die Firma Privatgespräche nicht in einem Umfang von mehreren hundert Euro akzeptieren werde. Auch könne er sich dabei nicht auf seine 25-jährige Betriebszugehörigkeit berufen.

LAG Hessen, Urteil vom 25.07.2011 – 17 Sa 153/11

Arbeitgeber darf ärztliches Attest ohne besonderen Anlass schon vom ersten Tag an fordern

Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, muss er gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) spätestens nach drei Kalendertagen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber vorlegen. Der Arbeitgeber ist aber laut Landesarbeitsgericht Köln auch berechtigt, die Vorlage ohne besonderen Anlass früher zu verlangen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. In dem vom LAG Köln entschiedenen Fall hatte sich eine Arbeitnehmerin für den Tag krank gemeldet, für den sie vorher vergeblich eine Dienstreise beantragt hatte. Der Arbeitgeber hatte sie daraufhin aufgefordert, künftig am ersten Tag der Krankmeldung ein ärztliches Attest einzuholen und vorzulegen. Die Arbeitnehmerin sah das als sachlich ungerechtfertigt an. Dieser Auffassung ist das Landesarbeitsgericht Köln nicht gefolgt. Das Verlangen des Arbeitgebers, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon ab dem ersten Tag der Krankheit vorzulegen, bedürfe weder einer Begründung noch sei die Aufforderung des Arbeitgebers vom Gericht auf billiges Ermessen zu überprüfen. LAG Köln, Urteil vom 14.09.2011 – 3 Sa 597/11