Unwirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung bei fehlerhaftem BEM

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 14. Januar 2025 (Az. 15 Sa 22/24) klargestellt: Eine krankheitsbedingte Kündigung ist unwirksam, wenn das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Arbeitgeber sind auch dann voll verantwortlich, wenn sie externe Dienstleister mit der Durchführung des BEM beauftragen. Das Gericht betont die hohen rechtlichen Anforderungen an Transparenz, Datenschutz und die ordentliche Dokumentation aller Verfahrensschritte im BEM-Verfahren.

Sachverhalt

  • Der langjährig bei der Beklagten beschäftigte Kläger fehlte über Jahre immer wieder krankheitsbedingt.
  • Nach wiederholt langen Ausfallzeiten leitete die Arbeitgeberin ein BEM ein, das jedoch an einen externen Dienstleister ausgelagert wurde.
  • Der externe Dienstleister informierte den Kläger in einem getrennt organisierten „BEM-Informationsgespräch“ über die grundsätzlichen Möglichkeiten eines BEM, das eigentliche BEM-Gespräch fand jedoch nicht statt – insbesondere, weil dem Arbeitnehmer das Verfahren und die Konsequenzen nicht klar kommuniziert wurden.
  • Kurz darauf sprach die Arbeitgeberin eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung aus.

Entscheidungsgründe

1. Fehlerhaftes BEM und Verantwortung des Arbeitgebers
Das LAG stellte fest: Auch bei Delegation an einen externen Anbieter bleibt der Arbeitgeber zu 100 % für die rechtskonforme Durchführung des BEM verantwortlich. Versäumnisse, unklare oder fehlerhafte Kommunikation, insbesondere beim Datenschutz und bei der Information, werden dem Arbeitgeber zugerechnet.
2. Informationspflichten und Datenschutz
Das Gericht hielt dem Arbeitgeber vor, dass im Rahmen des BEM nicht konkret und nachvollziehbar über Zweck, Ablauf sowie Art und Umfang der Datenerhebung und deren potentiellen Gebrauch durch den Arbeitgeber informiert wurde. Es ist zwingend erforderlich, den betroffenen Arbeitnehmer vollumfänglich und verständlich über die vorgesehenen Maßnahmen, gespeicherte Daten, deren Verwendung und den datenschutzrechtlichen Umgang aufzuklären. Eine pauschale oder unklare Information genügt nicht.

3. Prozessuale Folgen

  • Wird das BEM – wegen fehlerhafter Durchführung oder mangelhafter Information – nicht ordnungsgemäß durchgeführt, trägt der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung auch bei ordnungsgemäßem BEM nicht hätte vermieden werden können.
  • Weil die Beklagte dies nicht belegen konnte, sahen Arbeitsgericht und LAG die Kündigung als unverhältnismäßig und sozial ungerechtfertigt an

Praktische Bedeutung

  • Arbeitgeber müssen bei krankheitsbedingten Kündigungen streng auf die vollständige und nachweisliche ordnungsgemäße Ausgestaltung eines BEM achten, auch bei Outsourcing an Externe.
  • Datenschutz und Information: Arbeitnehmer müssen exakt wissen, welche persönlichen und Gesundheitsdaten erfasst, gespeichert und an wen sie weitergegeben werden; eine lückenhafte oder vage Information reicht nicht.
  • Beweislastumkehr: Fehlerhaftes oder fehlendes BEM führt zu einer massiven Beweishürde für den Arbeitgeber, der detailliert schildern und beweisen muss, dass keine andere Maßnahme als die Kündigung möglich war.
  • Arbeitnehmer können eine Kündigung erfolgreich abwehren, wenn Form- oder Verfahrensfehler im BEM nachweisbar sind.

Zusammenfassung im Wortlaut

Das Urteil des LAG Baden-Württemberg, 14.01.2025 – 15 Sa 22/24, macht erneut deutlich: Das BEM ist mehr als eine bloße Förmlichkeit – es ist ein zentrales Instrument zur Vermeidung (krankheits-)bedingter Kündigungen. Fehler in der Durchführung, insbesondere bei der Information und beim Datenschutz, führen in der Regel zur Unwirksamkeit der Kündigung. Arbeitgeber sollten alle Abläufe dokumentieren und verständlich, vollumfänglich und transparent kommunizieren. Arbeitnehmern gibt das Urteil weitere Argumente an die Hand, im Kündigungsschutzverfahren auf ein ordnungsgemäßes BEM zu pochen.

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