Bereits Ende des Jahres 2020 hatte der Daimler-Konzern angekündigt, nachdem viele Jahre eine 40-Stunden-Woche galt, wieder zu einer regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche zurückzukehren. Dies betrifft nicht alle Mitarbeiter bei der Mercedes-Benz AG, sondern in erster Linie Mitarbeiter in der Verwaltung. Insgesamt ist von ca. 4500 Beschäftigten die Rede, welche somit von einer Lohnkürzung in Höhe von 12,5 % betroffen sind.
In den Medien ist durchgängig zu lesen, dass die Kürzung der Arbeitszeit durch die Mercedes-Benz AG rechtmäßig sei. Aber ist das wirklich so?
Rechtliche Grundlage der Arbeitszeitreduzierung
Tatsächlich beruht der Umstand, dass die Mercedes-Benz AG einseitig und ohne Zustimmung des Betriebsrats die regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden auf 35 Wochenstunden herabsetzen kann, darauf, dass dies im Manteltarifvertrag, welcher auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten bei Daimler zur Anwendung kommt, so ausgehandelt wurde. In diesem Tarifvertrag war zunächst festgelegt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 35 Wochenstunden betragen soll. Mit Zustimmung des Mitarbeiters konnte diese auf 35 Wochenstunden erhöht werden. Selbstverständlich haben die Beschäftigten einer solchen Regelung zugestimmt, da dies auch mit einem regelmäßigen höheren Gehalt verbunden war. Allerdings enthielt der Tarifvertrag auch eine Klausel, wonach beide Seiten berechtigt sein sollen, diese Arbeitszeiten mit einer Ankündigungsfrist von 3 Monaten wieder zu ändern. Und genau von dieser Regelung hatte die Mercedes-Benz AG nun gegenüber ihren beschäftigten Gebrauch gemacht.
Gegen diese Regelung werden sich die Mitarbeiter daher in der Tat nicht wehren können.
Aber: Arbeitsvertrag hat Vorrang vor Tarifvertrag
Dennoch gibt es eine Möglichkeit, wie betroffene Arbeitnehmer ihre regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden beibehalten können.
Denn grundsätzlich gehen günstigere Regelungen im Arbeitsvertrag einer tarifvertraglichen Regelung vor. Viele der Betroffenen haben langjährige Verträge bei Daimler. In mehreren Altverträgen konnten wir entsprechende Klausel finden, aus denen sich ergibt, dass dort die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mit 40 Wochenstunden vertraglich festgelegt war. Zwar würde sich die tariflich geregelte wöchentliche Arbeitszeit dennoch auf 35 Wochenstunden reduzieren, sollte im Arbeitsvertrag aber parallel die Arbeitszeit individuell auf 40 Wochenstunden festgelegt sein, kann sich der Arbeitnehmer auf einen individuellen Anspruch, bei der Mercedes-Benz AG in einem Umfang von 40 Wochenstunden beschäftigt zu werden, berufen.
Maßgeblich sind die jeweils konkreten Regelungen im Arbeitsvertrag
Voraussetzung ist allerdings, dass eine solche Regelung auch weiterhin Gültigkeit im Arbeitsvertrag hat. Durch spätere Änderungen ist es möglich, dass eine individuell festgelegte Arbeitszeit dahingehend geändert wurde, dass nunmehr die Regelungen im jeweils gültigen Tarifvertrag zur Anwendung kommen sollen.
Ob im Arbeitsvertrag eine individuelle Regelung besteht und ob diese noch Gültigkeit hat, sollten Sie durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen.