Sieht ein Sozialplan zur Abwicklung eines Unternehmens grundsätzlich eine zusätzliche Abfindung für schwerbehinderte Arbeitnehmer vor, unterbleibt deren Zahlung aber wegen einer Beschränkung auf einen Höchstbetrag, benachteiligt dies ältere Schwerbehinderte. Dies führt laut Bundesarbeitsgericht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung innerhalb dieser Gruppe der Abfindungsberechtigten.
Sozialplan für Beschäftigte nach Werkschließung
Ein schwerbehinderter Angestellter (Behinderungsgrad von 80) verklagte seine Arbeitgeberin auf Zahlung eines Abfindungsbetrags von 32.920 Euro. Im Juni 2019 hatten die Firma und ihr Betriebsrat einen „Sozialplan zur Werkschließung“ (SP) geschlossen. Dieser sah für alle Arbeitnehmer, die betriebsbedingt gekündigt werden, eine Abfindung vor. Abschn. III Nr. 1 Buchst. c sah zudem folgende Regelungen vor: „(cc) Für Schwerbehinderte und Gleichgestellte wird ein zusätzlicher Abfindungsbetrag in Höhe von 1.500 Euro brutto gezahlt. Liegt der Grad der Behinderung über 50, gilt Folgendes: Bei einem GdB > 50 beträgt die zusätzliche Abfindung 2.000 Euro. … (ee) Der sich insgesamt ergebende Abfindungsbetrag (Gesamtabfindung) wird auf einen max. Höchstbetrag von 75.000 Euro pro Arbeitnehmer beschränkt.“ Im Juni 2019 schlossen die Parteien eine „Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie“. Einen Monat später kündigte die Beklagte dem Mann zum Februar 2020. Kündigungsschutzklage erhob er nicht. Da sich seine Abfindung auf 92.760 Euro und damit auf mehr als 75.000 Euro belief, erhielt er keine zusätzliche Abfindung wegen Schwerbehinderung. Sowohl das Arbeitsgericht Weiden als auch das LAG Nürnberg wiesen seine Klage ab. Die Beklagte erkannte seine Klageverzichtsprämie in Höhe von 30.920 Euro an. Beim BAG erhielt er schließlich auch die Zulage für seine Schwerbehinderung.
Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Laut BAG steht dem Kläger auch der zusätzliche Abfindungsbetrag von 2.000 Euro nach Abschn. III Nr. 1 Buchst. c lit. cc SP zu. Die Höchstbetragsregelung in Abschn. III Nr. 1 Buchst. c lit. ee Satz 1 SP verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und sei nach § 75 Abs. 1 BetrVG unwirksam, soweit sie sich auf den zusätzlichen Abfindungsbetrag erstrecke. Durch die Begrenzung der Gesamtabfindung auf 75.000 Euro pro Arbeitnehmer werde ein Teil der schwerbehinderten Arbeitnehmer, typischerweise die älteren Beschäftigten, anders behandelt als der übrige Teil dieser Gruppe. Dies habe zur Folge, dass gerade diejenigen schwerbehinderten Arbeitnehmer keinen spezifischen Ausgleich für die durch ihre besondere Situation bedingten wirtschaftlichen Nachteile infolge des Arbeitsplatzverlusts erhielten, bei denen diese Nachteile besonders eintreten könnten. Da die Höchstbetragsregelung vor allem aber eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe für möglichst alle vom Jobverlust betroffenen Angestellten bezwecke, dürften gerade die schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht von der zusätzlichen Abfindung ausgeschlossen werden.
BAG, Urteil vom 11.10.2022 – 1 AZR 129/21
(Quelle: Beck online)