Die Kündigungschutzklage

Um auf wirtschaftliche Veränderungen und schwankende Auftragslage schnell reagieren zu können, möchten Unternehmer ihre Betriebe möglichst flexibel gestalten. Dazu gehört es auch, sich, wenn die Notwendigkeit besteht, von Arbeitnehmern zu trennen. Um die Interessen der Arbeitnehmer zu schützen, hat der Gesetzgeber als Gegengewicht das Kündigungsschutzgesetz geschaffen. Verschiedene Vorschriften schränken die Kündigungsmöglichkeiten der Arbeitgeber ein und zwingen ihn, vor einer Kündigung zunächst andere Maßnahmen wie eine Abmahnung oder Umversetzung zu ergreifen, Kündigungen zu begründen und zwischen verschiedenen Arbeitnehmern eine Sozialauswahl zu treffen. Hält der Arbeitnehmer eine Kündigung für ungerechtfertigt, kann er sich mit der Kündigungsschutzklage wehren. Dieser Ratgeber gibt einen ersten Einblick in das gerichtliche Verfahren vor den Arbeitsgerichten und erklärt, welche Fallstricke auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zu beachten sind.

Einleitung

In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit erlangt der Kündigungsschutz eine immer höhere Bedeutung. Die Schwierigkeit, bei Verlust des Arbeitsplatzes zeitnah einen gleichwertigen Ersatz zu finden, aber auch bestehende Unterhaltspflichten und Kreditverträge lassen das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes wachsen.
Ist der Arbeitnehmer von einer Kündigung betroffen, sieht er sich oftmals einer Vielzahl von ungelösten Fragen gegenüber. Zum einen stellt sich die Frage, ob die Kündigung rechtlich zulässig ist, zum anderen, welche Schritte er konkret einleiten muss, um seine Rechte notfalls gerichtlich durchsetzen zu können.

Für den rechtlichen Schutz im Zusammenhang mit dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses – so formuliert es das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) – ist das Arbeitsgericht zuständig. Welches Arbeitsgericht, richtet sich nach dem Gerichtsstand des Beklagten: Bei einer Kündigungsschutzklage ist das regelmäßig der Sitz des Unternehmens, es kann aber auch das für den Ort der Niederlassung, in der der Kläger arbeitet, zuständige Gericht sein.

Besteht Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), erhebt der Arbeitnehmer gegen Kündigung die so genannte Kündigungsschutzklage. Damit will er gerichtlich festgestellt wissen, dass eine ganz bestimmte Kündigung sein Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht beendet hat, weil sie etwa sozial ungerechtfertigt ist.

Aber auch wenn das KSchG nicht auf Sie anwendbar ist, ist das Arbeitsgericht zuständig. In diesem Fall erhebt der Arbeitnehmer allgemeine Feststellungsklage. Diese Art der Klage hat andere Voraussetzungen und eine andere Zielsetzung: Der Kläger will hier nicht die soziale Rechtfertigung anzweifeln, sondern rechtliche Fehler, beispielsweise die fehlende Anhörung des Betriebsrates. Es geht dann darum, festzustellen, dass Ihr Arbeitsverhältnis trotz allem fortbesteht.

Grundsätzlich muss jede Kündigung sowohl bestimmte formelle als auch inhaltliche Kriterien erfüllen, ansonsten ist sie unwirksam. Soweit das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, wird zusätzlich verlangt, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Das bedeutet, dass eine Kündigung mit persönlichen, verhaltensbezogenen oder betriebsbedingten Umständen begründet werden muss.

Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet nicht auf alle Arbeitsverhältnisse Anwendung. Aufgrund der im Rahmen der “Agenda 2010″ zum 1. Januar 2004 vorgenommenen Gesetzesänderungen muss allerdings zwischen Arbeitsverhältnissen unterschieden werden, die zu diesem Stichtag bereits bestanden und solche, die nach diesem Zeitpunkt eingegangen wurden. Das bedeutet, dass in Unternehmen bei dem es “alte” und “neue” Mitarbeiter gibt, eine gespaltene Rechtslage besteht:

Für Altarbeitnehmer – also bei Mitarbeitern, die bereits vor dem 1. Januar 2004 ihre Arbeit aufgenommen haben – gilt die frühere Rechtslage. Danach hat die Anwendbarkeit des KSchG zwei Voraussetzungen:

  • Das Arbeitsverhältnis besteht im selben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate (§ 1 KSchG)
  • Der Betrieb oder das Unternehmen beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer, wobei Auszubildende nicht mitzählen (§§ 1, 23 KSchG).

Für alle Arbeitnehmer, die nach dem 1. Januar 2004 ihre Arbeit aufgenommen haben (auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses kommt es nicht an!), gilt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nur, wenn das Unternehmen regelmäßig mehr als zehn (statt früher fünf) Arbeitnehmer beschäftigt.

Die beiden Regelungen gelten in einem Betrieb parallel. Das bedeutet beispielsweise:

  • Hat ein Unternehmen fünf “alte” und fünf “neue” Mitarbeiter, hat keiner Kündigungsschutz.
  • Hat ein Unternehmen sechs “alte” und vier “neue” Mitarbeiter, haben die alten Kündigungsschutz. Die neuen Mitarbeiter haben keinen Kündigungsschutz, weil die Schwellenzahl 10 noch nicht überschritten ist.
  • fällt die regelmäßige Anzahl der “alten” Mitarbeiter nach dem 01.01.2004 auf 5 oder weniger Mitarbeiter, dann verlieren diese Altmitarbeiter ihren vorherigen Kündigungsschutz nach der Altregelung endgültig. Diese Mitarbeiter fallen dann erst wieder wie alle anderen Mitarbeiter unter den Kündigungsschutz, wenn imsgesamt mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt werden.

Als Arbeitnehmer wird voll gezählt, wer regelmäßig mehr als 30 Wochenstunden arbeitet.

Arbeitnehmer, die weniger arbeiten, werden nur teilweise berücksichtigt: bis einschließlich 20 Stunden = 0,50 Arbeitnehmer bis einschließlich 30 Stunden = 0,75 Arbeitnehmer. Mitgezählt wird immer auch der zu kündigende Arbeitnehmer.

Beispiel:

Ein Handwerksbetrieb beschäftigt drei Vollzeitkräfte, zwei Teilzeitkräfte mit je 30 Wochenstunden, eine Teilzeitkraft mit 18 Wochenstunden und eine Teilzeitkraft mit zehn Wochenstunden.

Daraus errechnen sich: 3 + 2 x 0,75 + 2 x 0,50 = 5,50 Arbeitnehmer. Das KSchG ist damit anwendbar.

Ob die Voraussetzungen für die Anwendung des KSchG vorliegen oder eben nicht, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen.

Kündigungsschutz für leitende Angestellte

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt auch für leitende Angestellte, allerdings eingeschränkt (§ 14 Absatz 2 KSchG). Leitende Angestellte sind nur Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche Mitarbeiter, die berechtigt sind, selbständig Arbeitnehmer einzustellen oder zu entlassen. Beachten Sie: Auf diese zuletzt genannte Befugnis kommt es an. Das wird häufig bei intern so bezeichneten “leitenden Angestellten” übersehen.

Ein leitender Angestellter kann gegen seine Kündigung nicht beim Betriebsrat Einspruch einlegen. Besteht ein Sprecherausschuss in einem Betrieb, so muss dieser vor jeder Kündigung gehört werden (§ 31 Absatz 2 Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten, SprAuG). Ein solcher ist in Betrieben mit in der Regel mindestens zehn leitenden Angestellten zu bilden (§ 1 SprAuG). Wurde der Sprecherausschuss nicht angehört, ist die Kündigung unwirksam. Je nach dem, ob es um eine ordentliche oder fristlose Kündigung handelt, muss sich der Ausschuss unverzüglich oder innerhalb einer Woche äußern – tut er dies nicht, gilt das Einverständnis als erteilt.

Erleichterung für den Arbeitgeber: Er kann im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses eines leitenden Angestellten Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses stellen, ohne ihn begründen zu müssen. Die Regelung ist der besonderen Vertrauensstellung, die leitende Angestellte innehaben, geschuldet.

Klageerhebung

Die Kündigungsschutzklage muss schriftlich eingereicht werden. Das ist auch per Telefax möglich, wobei es zur Wahrung der Frist darauf ankommt, dass der Schriftsatz mit Unterschrift vor 24 Uhr beim Arbeitsgericht ausgedruckt wurde.

Der Arbeitnehmer muss beantragen, das Arbeitsgericht solle feststellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist, weil die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Dies muss er im Einzelnen durch Tatsachen begründen.

Klagefrist

Ganz entscheidend bei der Klage gegen eine Kündigung: Sie muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung vor dem Arbeitsgericht – und nur dort! – erhoben werden. Wird die Klage nicht rechtzeitig erhoben, so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam – auch wenn sie sozial ungerechtfertigt sein sollte.

Die Dreiwochenfrist gilt generell für jede Klage, die sich gegen eine Kündigung richtet, nicht nur für die Kündigungsschutzklage nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Auch wenn die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des KSchG nicht vorliegen, die Gründe für die Unwirksamkeit der Kündigung außerhalb des KSchG liegen oder es sich nur um eine

Änderungskündigung handelt, ist innerhalb von drei Wochen Klage zu erheben (z. B. bei mangelnder Betriebsratsanhörung, mangelnder Schriftform der Kündigung, bei fristloser Kündigung, bei Kleinunternehmen).

Klage nach Fristablauf

Grundsätzlich kann nach Ablauf der Dreiwochenfrist (siehe vorheriger Abschnitt) nicht mehr gegen eine Kündigung geklagt werden.

Es gibt jedoch – wenige – Ausnahmen.

War ein Arbeitnehmer trotz aller ihm zuzumutenden Anstrengungen verhindert, die Klage rechtzeitig zu erheben, so besteht die Möglichkeit der nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage (§ 5 Kündigungsschutzgesetz, KSchG). Gleichzeitig muss mit diesem Antrag die Klage erhoben werden. Das muss innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses geschehen, spätestens jedoch sechs Monate nach Ablauf der ersten Dreiwochenfrist. In dem Antrag muss der Arbeitnehmer die Tatsachen vorbringen, die zu der Verzögerung geführt haben und diese glaubhaft machen.

Die Voraussetzungen für eine verspätete Zulassung sind allerdings sehr eng. Zumutbar ist immer die Beauftragung eines Dritten oder eines Anwalts zur Erhebung der Kündigungsschutzklage. Stattdessen müssen triftige Gründe für das Fristversäumnis angeführt werden.

§ 5 Absatz 1 Satz 2 KSchG stellt klar, dass der Antrag einer schwangeren Arbeitnehmerin zuzulassen ist, wenn sie – ohne es vertreten zu müssen – von ihrer Schwangerschaft erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist Kenntnis erlangt hat.

Kündigungsgründe

Eine Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn bestimmte Gründe vorliegen.

Diese können:

  • in der Person des Arbeitnehmers liegen (personenbedingte Kündigung).
  • im Verhalten des Arbeitnehmers liegen (verhaltensbedingte Kündigung).
  • durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein (betriebsbedingte Kündigung).

Die Beweislast dafür, dass eine Kündigung sozial gerechtfertigt ist, liegt beim Arbeitgeber. Er muss die die Kündigung tragenden Gründe behaupten und beweisen.

Personenbedingte Kündigung

Die personenbedingte Kündigung betrifft objektive Gründe in der Person des Arbeitnehmers. Dazu zählen beispielsweise das Nachlassen der Leistungsfähigkeit, mangelnde Eignung oder mangelnde Anpassungsfähigkeit.

Häufigster Fall in der Praxis ist die Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers. Hier gelten jedoch strenge Maßstäbe. Liegt eine Dauererkrankung vor, kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung also überhaupt nicht mehr erbringen, ist eine Kündigung grundsätzlich ohne weiteres zulässig. Ist der Arbeitnehmer häufig kurzzeitig krank, muss – grob formuliert – zu befürchten sein, dass das auch in Zukunft so weiter geht. Diese Fehlzeiten müssen den Unternehmensablauf erheblich beeinträchtigen und eine Interessenabwägung muss ergeben, dass all dies für den Arbeitgeber unzumutbar ist.

Zu den Krankheiten zählen auch Alkoholabhängigkeit und sonstige Suchtkrankheiten, sofern sie betriebliche Interessen beeinträchtigen. Bei letzteren kann es sich aber, wenn keine Abhängigkeit sondern “nur” Missbrauch vorliegt, auch um einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung handeln (der Unterschied: Sein Verhalten kann der Arbeitnehmer ändern).

Die Kündigung muss verhältnismäßig sein. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss zunächst

versuchen – soweit zumutbar – durch andere Maßnahmen, wie die Einstellung einer Aushilfskraft, vorübergehende Umorganisation, zeitweilige Organisationsänderung im Arbeitsablauf oder die vorübergehende Einführung von Mehrarbeit – die Zeit eines krankheitsbedingten Arbeitsausfalls zu überbrücken. Ob und wie lange solche Maßnahmen dem Arbeitgeber zumutbar sind bedarf der Prüfung des Einzelfalls.

Verhaltensbedingte Kündigung

Die verhaltensbedingte Kündigung erfolgt aufgrund Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, auch wenn die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung noch nicht erreicht sind. Die Pflichtverletzung muss in aller Regel vom Arbeitnehmer verschuldet worden sein, sonst fehlt es an der sozialen Rechtfertigung.

Außerdem ist grundsätzlich eine vorherige Abmahnung erforderlich. Diese muss rechtzeitig, also zeitnah erfolgen und muss die Pflichtverletzung konkret bezeichnen. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass im Wiederholungsfall das Arbeitsverhältnis gefährdet ist.

Einer Abmahnung bedarf es nicht, wenn ein schweres Fehlverhalten vorliegt (z. B. Diebstahl – auch wenn es sich um geringwertige Sachen handelt).

Die Kündigung ist in jedem Fall letztes Mittel, um gegen Pflichtverletzungen vorzugehen. Weniger einschneidende Mittel (z. B. Änderungskündigung, Ausübung des Direktionsrechts), soweit geeignet und angemessen, haben Vorrang. Außerdem muss eine Wiederholungsgefahr (Prognose) bestehen.

Betriebsbedingte Kündigung

Ein Unternehmen muss auf eine sich verschlechternde Auftragslage oder verringerte Absatzchancen reagieren können. Ein Personalabbau ist dann oft unumgänglich und muss natürlich im Interesse des Unternehmens auch zulässig sein.

Eine betriebsbedingte Kündigung setzt voraus, dass ein dringender inner- oder außerbetrieblicher Grund zu Überkapazität führt und dadurch der Arbeitsplatz wegfällt, ohne dass der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Dabei muss der Arbeitgeber darlegen, welche von ihm getroffene unternehmerische Entscheidung zu welchen arbeitsorganisatorischen Folgen (Arbeitsplatzwegfall) geführt hat.

Diese Begründungspflicht muss der Arbeitgeber sehr ernst nehmen: So reicht es beispielsweise nicht aus, dass bei der Arbeitnehmerüberlassung der Verleiher die Kündigung damit begründet, dass der Auftrag des Verleihers ausgelaufen sei. Dies ist ein generelles Risiko, gegen das der Verleiher Vorsorge treffen muss. Er muss deshalb schon genauer darstellen, warum das Beschäftigungsvolumen dauerhaft zurückgegangen ist .

Der Arbeitgeber muss außerdem – soweit das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar ist – bei betriebsbedingten Kündigungen unter seinen Arbeitnehmern eine Auswahl nach sozialen Kriterien treffen. Für die Sozialauswahl kommen mehrere Arbeitnehmer in einem Betrieb (nicht im ganzen Unternehmen) in Betracht, wenn sie nach der bisher ausgeübten Tätigkeit vergleichbar sind (§ 1 Absatz 3 KSchG). Das Unternehmen hat in diesem Fall abzuwägen, wer unter diesen Umständen sozial am schutzwürdigsten ist.

Dafür gelten vier Kriterien:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit.
  • Lebensalter
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderung

Den betroffenen Arbeitnehmer sind die Gründe für die soziale Auswahl zu nennen.

In Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen (§ 95 Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG) kann festgelegt werden, wie die vier genannten Kriterien im Verhältnis zueinander zu bewerten sind. Ist die Gewichtung entsprechend festgelegt, darf die Auswahl der Arbeitnehmer vom Gericht nur auf grobe Fehler überprüft werden.

Außerdem gilt: Sind in einer Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (Interessenausgleich) die Arbeitnehmer namentlich bezeichnet, die wegen Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) gekündigt werden sollen, wird vom Gesetz vermutet, dass deren Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Das führt zu einer Beweislastumkehr: Der Arbeitnehmer muss im Kündigungsschutzprozess die Vermutung widerlegen.

Besonderer Kündigungsschutz

Nicht nur das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bietet gesetzlichen Schutz vor Kündigungen. Auch in anderen Gesetzen ist für einzelne Personengruppen und Situationen die Kündigung erschwert oder ganz ausgeschlossen, auch wenn das KSchG nicht anwendbar ist. Die Regelungen wurden geschaffen, um eine drohende Benachteiligung der Betroffenen zu vermeiden.

Die wichtigsten sind:

• keine Kündigung ohne Betriebsratsanhörung:

In Betrieben mit Betriebsrat muss laut § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor jeder Kündigung der Betriebsrat angehört werden. Der Arbeitnehmer muss dem Betriebsratsvorsitzenden die Person, die gekündigt werden soll, die beabsichtigte Kündigungsart, die Kündigungsfrist, gegebenenfalls den Kündigungstermin, aber auch den Kündigungsgrund und bei betriebsbedingten Kündigungen die Kriterien der Sozialauswahl mitteilen. Tut er das nicht, ist die Kündigung unwirksam.

• keine Kündigung wegen Betriebsübergang:

Eine Kündigung darf nicht allein erfolgen, weil ein Betrieb oder Betriebsteil auf ein anderes Unternehmen übertragen worden ist (§ 613a Absatz 4 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). Der neue Arbeitgeber muss mit dem Betrieb alle Arbeitnehmer – zumindest für ein Jahr – übernehmen.

• keine Kündigung bei Schwangerschaft (§ 9 Absatz 1 Mutterschutzgesetz, MuSchG)

• keine ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern (§ 15 Absatz 1 KSchG)

• erschwerte Kündigung für Schwerbehinderte (§§ 85, 86, 88 Absätze 1 bis 3, 90, 91 Absatz 2 SGB IX)

• keine ordentliche Kündigung Auszubildender nach der Probezeit (§ 22 Berufsbildungsgesetz, BBiG)

Anspruch auf Weiterbeschäftigung

Arbeitsprozesse sind oft langwierig und können meistens nicht innerhalb der Kündigungsfrist entschieden werden. Solange die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist, besteht in aller Regel der Anspruch auf Beschäftigung. Für die Zeit danach gibt es – für den Fall, dass die Kündigung angefochten wird – den so genannten Weiterbeschäftigungsanspruch.

Es gibt zwei Möglichkeiten, den Weiterbeschäftigungsanspruch zu begründen und durchzusetzen:

• 1. Betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch

Hat der Betriebsrat der Kündigung nach § 102 Absatz 3 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) frist- und ordnungsgemäß widersprochen und hat der Arbeitnehmer fristgemäß Kündigungsschutzklage erhoben, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – wenn er dies verlangt – bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiter beschäftigen (§ 102 Absatz 5 BetrVG). Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem KSchG genießt (siehe Abschnitt “Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes”).

Rechtstipp: Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Arbeitsgericht den Arbeitgeber auf dessen Antrag durch einstweilige Verfügung von der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers freistellen: Nämlich dann, wenn die Klage des Arbeitnehmers aussichtslos oder mutwillig erscheint, wenn der Arbeitgeber durch die Weiterbeschäftigung unzumutbar wirtschaftlich belastet würde oder wenn der Widerspruch des Betriebsrates offensichtlich unbegründet war.

• 2. Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch

Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch ist gesetzlich nicht ausdrücklich formuliert. Er wird vielmehr durch die Rechtsprechung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet (Art. 1 und 2 Grundgesetz, GG). Danach kann eine Abwägung zwischen den Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungsanspruch ergeben, auch wenn ein betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch nicht besteht. Solange nun die Kündigung nicht gerade offensichtlich unwirksam ist, überwiegt allerdings in der Regel das Interesse des Arbeitgebers, nicht zu beschäftigen. Es besteht also kein Weiterbeschäftigungsanspruch. Erst wenn ein Gericht zugunsten des Arbeitnehmers entschieden hat, ist grundsätzlich der Arbeitnehmer schützenswerter: Er hat einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

Will der Arbeitgeber den Arbeitgeber nach einem Urteil trotzdem nicht weiter beschäftigen, weil er Berufung einlegen will und dadurch der Ausgang des Verfahrens weiter ungewiss ist, so muss er das besonders begründen. Ein solcher Grund liegt vor, wenn zu befürchten ist, dass der Arbeitnehmer Betriebsgeheimnisse verrät oder sich sonst gegenüber dem Arbeitgeber strafbar oder schädigend verhält.

Urteil

Vorauszuschicken ist, dass der größte Teil aller arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht mit einem Urteil, sondern mit einem Vergleich oder auf sonstige Weise (z. B. durch Rücknahme der Klage) endet.

Nach dem Urteil

Hat der Arbeitnehmer die Kündigungsschutzklage gewonnen, kann er sich innerhalb einer Woche entscheiden, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen oder, wenn er ein neues eingegangen ist, dieses aufrechterhalten will. In letzterem Fall muss er den Arbeitgeber innerhalb einer Woche erklären, dass er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ablehne (§ 12 Kündigungsschutzgesetz, KSchG). Lohnausfall kann der Arbeitnehmer dann nur für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses verlangen.

Möchte der Arbeitnehmer dagegen sein altes Arbeitsverhältnis wieder aufnehmen, muss er das neue entsprechend der Kündigungsfristen kündigen und nach Ablauf der Kündigungsfrist die Arbeit im alten Betrieb wieder aufnehmen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer sein Wahlrecht nicht innerhalb einer Woche ausübt. Nach Obsiegen hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Verdienstnachzahlung für die Zeit seines Ausscheidens wegen der nunmehr für unwirksam erklärten Kündigung bis zum Wiedereintritt in den Betrieb. Allerdings muss er sich andere Einkünfte anrechnen lassen (§ 11 KSchG):

• Einkünfte aus anderer neuer Arbeit Einkünfte, die er hätte haben können, wenn er neue zumutbare Arbeit angenommen hätte

• Arbeitslosengeld

• Sozialhilfe

Diese Leistungen sind an die Stelle zurückzuzahlen, die sie ausgezahlt hat.

Abfindung

Häufig werden bei Kündigungsschutzverfahren Vergleiche dahingehend  geschlossen, dass die Kündigung bestehen bleibt und der Arbeitnehmer für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung erhält. Entgegen einer immer noch weit verbreiteten Auffassung besteht hierauf allerdings in der Regel kein einklagbarer Anspruch, sondern wird durch die Parteien im Hinblick auf eine Beendigung des Rechtstreits einvernehmlich festgelegt. Das Gericht kann hierzu auch einen Vorschlag auf Basis der Sach- und Rechtslage machen. Häufig orientieren sich die Arbeitsgerichte an einer Faustforme, der sog. “Regelabfindung”. Diese liegt bei einem halben Bruttomoantsgehalt multipliziert mit den tatsächlichen Beschäftigungsjahren.

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sieht darüber hinaus auch die Möglichkeit vor, den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung zu verpflichten, wenn das Gericht die Kündigung für unwirksam erklärt hat. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer dies im Kündigungsschutzprozess beantragt. Dies ist möglich bis zur letzten mündlichen Verhandlung. Weiterhin muss das Gericht der Überzeugung sein, dass eine Fortsetzung des alten Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten ist (§ 9 KSchG).

Unzumutbarkeit liegt immer vor, wenn der Arbeitnehmer seinerseits hätte fristlos kündigen können. Aber auch andere Fälle sind denkbar, etwa wenn die Kündigungsgründe ehrverletzende Behauptungen über den Arbeitnehmer enthalten oder das Vertrauensverhältnis im Verlauf des Prozesses ohne großes Verschulden des Arbeitnehmers zerrüttet worden ist.

Auch der Arbeitgeber kann eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung beantragen, wenn eine Beschäftigung des Arbeitnehmers aus betrieblichen Gründen nicht mehr sinnvoll erscheint. Dann ist eine ausführliche Begründung nötig, es sei denn, es handelt sich um einen leitenden Angestellten.

Die Abfindung kann bis zu zwölf Monatseinkommen betragen (§ 10 Absatz 1 KSchG).

Ausnahmen:

• der Arbeitnehmer ist 50 Jahre oder älter und war mindestens 15 Jahre indem Betrieb beschäftigt: bis zu 15 Monatsgehältern

• der Arbeitnehmer ist 55 Jahre oder älter und war mindestens 20 Jahre in dem Betrieb beschäftigt: bis zu 18 Monatsgehältern

Dies gilt aber nicht, wenn er in dem Zeitpunkt, den das Gericht für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das Rentenalter erreicht hat, also derzeit 65 Jahre (§ 35 SGB VI).

Ist das KSchG nicht anwendbar, ist der Arbeitgeber an diese Grundsätze nicht gebunden.

Für die Höhe der zu zahlenden Abfindung sind nicht allein die genannten Höchstgrenzen maßgeblich. Das Arbeitsgericht entscheidet, was im Einzelfall angemessen ist. Neben der Dauer des Arbeitsverhältnisses spielen auch Faktoren wie die Aussichten des Mitarbeiters auf dem Arbeitsmarkt und dessen Stellung im Betrieb eine Rolle. Die angemessene Abfindungshöhe liegt in aller Regel etwa zwischen einem halben bis ganzen Monatsverdienst pro Beschäftigungsjahr. Zulagen für Schicht- und Nachtarbeit, Provisionen und Urlaubsgeld werden mitgerechnet.

Achtung: Die Zahlung einer Abfindung kann eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auslösen und zudem auf das Arbeitslosengeld über die Sperrzeit hinaus angerechnet werden. Das ist dann der Fall, wenn die Abfindung ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gezahlt wird (§ 143a SGB III). In diesem Fall erklärt sich der Arbeitnehmer nämlich mit einer früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden, so dass faktisch ein einvernehmlicher Aufhebungsvertrag vorliegt. Der Arbeitnehmer hat damit den Eintritt seiner Arbeitslosigkeit selbst verursacht.

Arbeitsgerichtliche Verfahren werden zwar ausgesprochen häufig durch einen Vergleich einschließlich einer Abfindungsregelung beendet. Dennoch ist eine Abfindung keineswegs zwingend.

Zur Klarstellung: In folgenden Fällen gibt es in aller Regel keinen Anspruch auf Abfindung:

• in Kleinbetrieben, in denen das Kündigungsschutzrecht nicht gilt

• in Betrieben in denen das Kündigungsschutzgesetz zwar gilt, in dem der Arbeitnehmer jedoch noch keine sechs Monate arbeitet

• wenn der Arbeitnehmer von sich aus kündigt

• wenn der Arbeitnehmer um Beendigung durch Aufhebungsvertrag bittet

• wenn der Arbeitnehmer der Kündigung nicht widerspricht

Kündigung nach § 1a KSchG

Zum 1. Januar 2004 wurde durch das “Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt” eine neue zusätzliche Abfindungsmöglichkeit eingeführt: Nach § 1a KSchG kann der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung ausloben. Wichtig: Ein Anspruch des Arbeitnehmers hierauf besteht nicht. Er hängt davon ab, dass der Arbeitgeber darauf “hinweist”, dass der Anspruch für den Fall bestehe, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. Einen solchen Hinweis wird der Arbeitgeber indes in aller Regel nicht geben.

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Alexander Berth

Rechtsanwalt

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