LAG Hessen: Keine Kündigung einer 26 Jahre beschäftigen Bankangestellten wegen übersehenen Überweisungsfehlers
Eine Bank muss eine seit 26 Jahren bei ihr beschäftigte Angestellte weiterbeschäftigen, die einen Fehler im Betragsfeld eines Überweisungsträgers (222 Millionen statt 62,40 Euro) übersehen hatte, weil sie den Beleg nicht ordnungsgemäß kontrolliert hatte. Dies hat das Hessische Landesarbeitsgericht im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens entschieden und damit die Vorinstanz bestätigt. Zwar handele es sich um einen schweren Fehler. Die Kündigung der Angestellten sei aber dennoch nicht gerechtfertigt gewesen.
Die 48-jährige Klägerin arbeitet seit 1986 bei der beklagten Bank, zuletzt als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Überprüfung von Überweisungsbelegen und gegebenenfalls deren Korrektur. Am 02.04.2012 prüfte sie 603 Belege innerhalb von weniger als 1,4 Sekunden, 105 Belege innerhalb von 1,5 bis 3 Sekunden und nur 104 Belege in mehr als 3 Sekunden. Dabei übersah sie einen Fehler in dem Zahlungsbeleg eines Rentners. Wie sich herausstellte, war der vorprüfende Arbeitskollege, der allerdings nicht für die Prüfung des Betragsfelds des Belegs zuständig war, bei einem Sekundenschlaf auf die Taste «2» der PC-Tastatur geraten und hatte diese länger gedrückt gehalten. Dadurch war der Betrag von 62,40 Euro auf 222.222.222,22 Euro geändert worden. Durch eine systeminterne Prüfungsroutine wurde der Fehler bemerkt und berichtigt. Die Bank kündigte der Klägerin wegen vorsätzlicher Täuschung über ihre Arbeitsleistungen fristlos, hilfsweise fristgerecht. Denn die Klägerin habe die Belege nicht geprüft, sondern ohne Prüfung freigegeben. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage der Klägerin statt.
Das LAG hat die Entscheidung des ArbG bestätigt. Eine vorsätzliche Schädigung des Arbeitgebers oder eine vorsätzliche Manipulation des Arbeitsablaufs lägen nicht vor. Nach der Vorbearbeitung durch den Arbeitskollegen könne der Klägerin nur noch eine unterlassene Kontrolle des Überweisungsträgers vorgeworfen werden. Dies sei zwar ein schwerer Fehler gewesen. Die für eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen notwendige negative Prognose sei nach Abwägung aller Umstände aber nicht erkennbar. Deshalb sei der beklagten Bank eine Abmahnung statt einer Kündigung noch zumutbar gewesen. Auch die von der Bank begehrte gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat das LAG zurückgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Nach wie vor sei eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich.
LAG Hessen, Urteil vom 07.02.2013 – 9 Sa 1315/12
(Quelle: Beck online)