Bei der Wiederöffnung von Geschäften und Betrieben nach dem Corona-Lockdown können Betriebsräten Mitbestimmungsrechte zustehen, deren Missachtung ein einstweiliges Verbot der Beschäftigung der Mitarbeiter nach sich ziehen kann. Der Betriebsrat könne aber keine Betriebsschließung verlangen, auch nicht bis zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Umsetzung des „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards“ des Bundesarbeitsministeriums, so das Arbeitsgericht Hamm.
Streit um Ladenöffnung nach Lockdown
Die Arbeitgeberin betreibt in einem Einkaufszentrum ein Einzelhandelsgeschäft. Wegen des Corona-Lockdowns wurde der Betrieb nach Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat über Kurzarbeit „Null“ geschlossen. Die Vereinbarung sah die Betriebsschließung bis zum 31.05.2020 vor. Die Arbeitgeberin wollte den Betrieb aber bereits am 28.04.2020 wieder öffnen und Mitarbeiter in einem Umfang zwischen 20% und 80% ihrer Arbeitszeit wieder einsetzen. Dazu wies sie diesen ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats per Personaleinsatzplan Arbeitszeiten zu. Verhandlungen über die Umsetzung des „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“, den das Bundesarbeitsministerium am 16.04.2020 veröffentlicht hatte, wurden nicht geführt. Der Betriebsrat begehrte gegen die Wiederöffnung Eilrechtsschutz beim ArbG und berief sich auf seine Mitbestimmungsrechte.
ArbG: Mitbestimmungsrecht bei Arbeitszeiten missachtet
Das ArbG untersagte es der Arbeitgeberin, Arbeitnehmern ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats Arbeitszeiten zuzuweisen. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich zum einen aus der Betriebsvereinbarung Kurzarbeit, auf deren Durchführung der Betriebsrat einen Anspruch habe. Danach durfte die Arbeitgeberin Arbeitszeiten ohne ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats nicht „abrufen“. Dagegen verstoße sie mit ihrem Personaleinsatzplan. Zum anderen habe der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG, worin ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und in Bezug auf die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit geregelt ist.
Kein Mitbestimmungsrecht bei Gefährdungsbeurteilung
Das weitere Begehren des Betriebsrats, der Arbeitgeberin aufzugeben, den Betrieb bis zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung nach dem „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ zu schließen, hatte keinen Erfolg. Bei dem „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ handele es sich nicht um eine Vorschrift zum Gesundheitsschutz im Sinn des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Aber selbst wenn man diese Bestimmung auf die Umsetzung des Arbeitsschutzstandards für anwendbar hielte, könnte der Betriebsrat darauf gestützt keine Betriebsschließung bis zum Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung verlangen.
Arbeitgeberin könnte „Dritte“ beschäftigen
Auch im Übrigen könne der Betriebsrat keine Schließung des Betriebs verlangen. Zwar sei die Arbeitgeberin aufgrund der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats daran gehindert, Mitarbeiter ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats zu beschäftigen. Bis dahin könnte sie im Betrieb aber „Dritte“ beschäftigen, die nicht ihrem Direktionsrecht unterworfen seien und vom Betriebsrat nicht vertreten würden.
ArbG Hamm , Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BVGa 2/20
(Quelle: Beck online)