Über die Verlängerung der Elternzeit entscheidet der Arbeitgeber nach billigem Ermessen
Die Klägerin verlangte von ihrer Arbeitgeberin die Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit. Nach Geburt ihres fünften Kindes am 03.01.2008 nahm sie zunächst ein Jahr Elternzeit. Am 08.12.2008 ging bei der Beklagten das Verlängerungsgesuch der Klägerin um ein Jahr ein. Sie berief sich auf ihren Gesundheitszustand. Die Beklagte lehnte die Verlängerung mit Schreiben vom 11.12.2008 ab und forderte die Klägerin auf, nach Ablauf der einjährigen Elternzeit pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Im Rechtsstreit erklärte die Klägerin zum Sachverhalt, dass ihre Tochter Ende des Jahres 2008 ernsthaft und akut erkrankt sei und sie aus diesem Grund die Elternzeit verlängern müsse. Die Beklagte erteilte der Klägerin eine Abmahnung, nachdem sie nach Ablauf der einjährigen Elternzeit nicht zur Arbeit erschien. Die Beklagte meinte, dass die Klägerin ohne die Zustimmung der Beklagten keine Verlängerung der Elternzeit erreichen könnte und dass die Klägerin es außerdem versäumt habe, die siebenwöchige Ankündigungsfrist einzuhalten.
Das ArbG verurteilte die Beklagte, der Verlängerung der Elternzeit „bis auf Weiteres, längstens“ um zwei Jahre zuzustimmen und die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Das LAG wies die Klage ab, soweit die Klägerin eine Verlängerung der Elternzeit bis zum 02.01.2010 begehrte und wies auch die Klage auf Entfernung der Abmahnung ab. Über eine Verlängerung der Elternzeit um ein zweites Jahr für die Zeit vom 02.01.2010 bis zum 02.01.2011 entschied das LAG nicht.
Das BAG hob das Berufungsurteil auf und wies die Sache zurück. Der 9. Senat setzt sich zunächst damit auseinander, in welcher Form und mit welchen Anträgen das Verlängerungsverlangen geltend gemacht werden kann. Zu Unrecht habe das ArbG die Beklagte zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt und damit zu etwas anderem, als die Klägerin beantragt hatte. Die Klägerin hatte die Feststellung beantragt, dass ihr Elternzeit zustünde. In der zweiten Instanz sei dieser Verstoß gegen § 308 I 1 ZPO geheilt worden, da die Klägerin sich mit dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung diese Tenorierung für ihren eigenen Antrag zueigen gemacht hatte.
In der Sache stellt das Gericht fest, dass die Verlängerung der Elternzeit der Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. Der vorliegende Fall folge nicht den Regeln des § 16 III 4 BEEG. Nur in diesem einen gesetzlich geregelten Fall könne der Arbeitnehmer die Verlängerung verlangen. Voraussetzung sei, dass ein vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung zwischen den Anspruchsberechtigten sich nicht mehr verwirklichen ließe. Ebensowenig sei das Verlängerungsverlangen formal und in den Entscheidungsabläufen mit dem Elternzeitverlangen selbst gleichzusetzen. Das erstmalige Elternzeitverlangen folge anderen formalen Voraussetzungen. Die gesetzliche Anforderung einer Erklärung über die Inanspruchnahme von Elternzeit innerhalb von zwei Jahren trage dem Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit Rechnung.
Das Gericht stellt fest, dass die Beklagte die Zustimmung nicht allein deshalb verweigern durfte, weil die Klägerin weniger als sieben Wochen vor dem Ende der Elternzeit um die Verlängerung gebeten hatte. Der Arbeitgeber sei an die Grenzen des billigen Ermessens (§ 315 BGB) gebunden. Der Arbeitgeber müsse die wesentlichen Umstände des einzelnen Falles abwägen. Diese müsse das LAG im vorliegenden Fall weiter aufklären.
Bemerkenswert am vorliegenden Verfahren ist, dass diese Frage in der dritten Instanz entschieden werden musste. Gesetzlich geregelt ist in § 16 III 1 BEEG, dass die Elternzeit „im Rahmen des § 15 II verlängert werden kann, wenn der Arbeitgeber zustimmt“. Gesetzlich geregelt ist außerdem, dass die Verlängerung „verlangt werden“ kann, wenn ein bestimmter Grund vorliegt, der hier unstreitig nicht vorlag. Das BEEG soll in diesen Fällen die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen. Zu diesen Interessen gehört auch das Interesse des Arbeitgebers an Planbarkeit. Gerade wenn der Arbeitgeber nach Ablauf der Elternzeit einen vertragsgemäßen Arbeitsplatz bereithalten soll, ist er darauf angewiesen, den Zeitpunkt der Rückkehr aus der Elternzeit zu kennen, oder einbezogen zu werden in eine Änderung dieser Terminplanung.
BAG, Urteil vom 18.10.2011 – 9 AZR 315/10 (LAG Baden-Württemberg)