Befristung: Vertretung setzt keine körperliche Abwesenheit des Vertretenen voraus
Der Tatbestand der Vertretung setzt nicht voraus, dass die zu vertretende Stammkraft betrieblich abwesend, jedenfalls aber „von der Arbeitsleistung“ abwesend ist. Er kann auch dann vorliegen, wenn die Stammkraft vorübergehend mit anderen Aufgaben betraut ist. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall aber eine auf Tatsachen beruhende Prognose erstellen, dass mit der Rückkehr der Stammkraft auf den ursprünglichen Arbeitsplatz zu rechnen ist und damit für die Vertretungskraft nach Vertragsende kein Beschäftigungsbedarf mehr besteht.
Der Sachgrund der Vertretung setzt nicht voraus, dass die Vertretungskraft die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt. Die Vertretungskraft kann auch mit anderen Aufgaben betraut werden. Die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgt, der durch die vorübergehende Abwesenheit der Stammkraft entsteht. Fehlt dieser Kausalzusammenhang, ist die Befristung nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt.
Bei dieser Sachlage scheitert die vorliegende Befristung entgegen der Auffassung verschiedener Landesarbeitsgerichte nicht schon am Fehlen eines Vertretungstatbestands. Nach dieser Auffassung soll der Tatbestand der Vertretung voraussetzen, dass die zu vertretende Stammkraft betrieblich abwesend, jedenfalls aber „von der Arbeitsleistung“ abwesend ist. Werde der zu vertretende Arbeitnehmer im Betrieb weiterhin, jedoch mit anderen Aufgaben eingesetzt, so lasse sich damit der Sachgrund der Vertretung nicht begründen. Lasse man eine derartige Konstellation ausreichen, so könne der Arbeitgeber durch eine bloße Verschiebung von Aufgaben und vorübergehender Versetzung von Arbeitnehmern selbst Vertretungsfälle schaffen, die einer weiteren Kontrolle entzogen wären.
Liegt etwa dem Vertretungsfall ein vorübergehender Arbeitskräftemehrbedarf durch die Erprobung eines anderen Arbeitnehmers auf einer höherwertigen Stelle zugrunde (vgl. § 31 TVöD, vgl. auch LAG Düsseldorf 08. Dezember 2011 – 9 AZR 943/11 – Juris), so dürfte eine Rückkehrprognose in aller Regel gerechtfertigt sein, weil sich die Stammkraft in der höherwertigen Tätigkeit erst noch bewähren muss. Beruht der Arbeitskräftebedarf aber allein darauf, dass in einem anderen Bereich ein erhöhter Arbeitsbedarf entstanden ist und der Arbeitgeber daraufhin Umsetzungen vorgenommen hat, so ist die Rückkehr des umgesetzten Arbeitnehmers an seinen ursprünglichen Arbeitsplatz nicht zwingend als Regelfall anzunehmen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass sich der zunächst als vorübergehend angenommene Mehrbedarf als dauerhafter Bedarf erweist.
LAG Baden-Württemberg: Urteil vom 21.05.2012 – 1 Sa 34/11
(Quelle: Beck online)