1. Zum Weisungsrecht der Gesellschafter einer GmbH gegenüber dem Geschäftsführer: Auch der Gesellschaft offensichtlich wirtschaftlich nachteilige Weisungen sind gesellschaftsvertraglich und gesellschaftsrechtlich unbedenklich.
2. Die Grenze des Weisungsrechts liegt in derartigen Fällen dort, wo greifbar naheliegend die Gefahr eines Konkurses droht.
3. Die einer geschäftspolitischen Weisung zugrundeliegende Absicht, aus steuerlichen Gründen Gewinne ins Ausland zu verlagern, steht unter der gegebenen steuerrechtlichen Lage einer Bindungskraft der Weisung nicht entgegen.
Die Alleingesellschafterin war auch sachlich zur fristlosen Kündigung berechtigt. Die fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde ist eröffnet, wenn der Kündigende unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zugemutet werden kann, das Dienstverhältnis bis zum “ordentlichen” Ablauf – hier: nach weiteren 18 Monaten, § 2 I des “Geschäftsführervertrags” – fortzusetzen (§ 626 Absatz I BGB). Einen wichtigen Grund in diesem Sinne erachtet der Senat für gegeben, weil der Kl. sich mit aller Bestimmtheit und erklärtermaßen endgültig weigerte, die “Unterschriftsweisung” und damit den seinerseits mit aller Bestimmtheit und endgültig hervorgehobenen geschäftlichen Gestaltungswillen der Alleingesellschafterin zu erfüllen. Die Weisung war von befugter Seite erteilt worden. Das Weisungsrecht kann als unmittelbar mitgliedschaftliches Recht der Gesellschafterin zwar nicht auf dritte Personen übertragen werden (Scholz/Schneider, § 37 Rdnr. 33). Da die Alleingesellschafterin juristische Person und der für sie handelnde Prokurist E in dieser seiner Rechtsstellung zu allen im Betrieb der Alleingesellschafterin anfallenden Rechtshandlungen ermächtigt war (§ 49 Absatz I HGB), durfte er auch deren geschäftspolitische Vorstellungen durch Weisung an den Geschäftsführer “ihrer” GmbH durchsetzen. Die Weisung war auch materiell bindend. Den Gesellschaftern der GmbH – so der Alleingesellschafterin – steht ein im Grundsatz umfassendes Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer zu. Dies klingt in der Formulierung der §§ 37, 45 GmbHG an; es ergibt sich sachlich aus der allumfassenden Regelungszuständigkeit der Gesellschafter in allen Angelegenheiten der Gesellschaft. Sie sind das zentrale Willensbildungsorgan der GmbH und in dieser gesellschafts–verfassungsrechtlich dominierenden Stellung dem Geschäftsführer übergeordnet. Ganz dementsprechend haben es die C–GmbH und der Kl. auch im “Geschäftsführervertrag” vom 6. 10. 1992 – § 1 Nr. 3 – festgehalten: “Der Geschäftsführer … hat … die Weisungen der Gesellschafterversammlung hinsichtlich der Geschäftsführung stets zu befolgen …“.
Die Freiheit der Willensbildung der Gesellschafter und damit die Bindungswirkung der durch sie erteilten Weisungen findet (erst) dort ihre Grenze, wo zwingende rechtliche Hindernisse aufgerichtet sind. Solche Hindernisse können – gleichsam gesellschaftsintern – in spezifisch gesellschaftsrechtlichen Anforderungen liegen, so in (entgegenstehenden) Vorgaben der Satzung, in den gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten der Gesellschafter untereinander – Minderheitenschutz – und in zwingenden Normen des Gesellschaftsrechts.
Das wirtschaftliche Wohl der GmbH als solches steht nicht unter dem Schutz der Rechtsordnung; das Gesellschaftsinteresse kann keine Grenzen des Weisungsrechts markieren. Zwar ist die Gesellschaft juristische Person; sie führt in ihrer Willensbildung aber kein vom Willen der Gesellschafter unabhängiges Eigenleben. Wie es den Gesellschaftern freisteht, riskante, wirtschaftlich wenig aussichtsreiche Geschäftsentschlüsse zu fassen und umzusetzen, wie es ihnen sogar freisteht, den Geschäftsbetrieb einzustellen und die Gesellschaft aufzulösen, steht es ihnen – erst recht – frei, die Leistungen der Gesellschaft “billiger” zu verkaufen und freiwillig auf langfristig vorteilhafte Vertragsbindungen zu verzichten. Auch der Gesellschaft offensichtlich wirtschaftlich nachteilige Weisungen sind deshalb gesellschaftsvertraglich und gesellschaftsrechtlich unbedenklich; der Geschäftsführer ist verpflichtet, sie umzusetzen (ähnlich: Konzen, NJW 1989, NJW Jahr 1989 Seite 2979 (NJW Jahr 1989 Seite 2981); strenger: Scholz/Schneider, § 37 Rdnr. 52). Derartige Weisungen können nur dadurch – und das leitet über zu den Grenzen der Bindungswirkung von Weisungen, die aus den Anforderungen der allgemeinen Gesetze folgen – kritische Grenzen überschreiten, daß rechtlich geschützte Drittinteressen durch sie berührt würden. Diese Grenzen liegen – § BGB § 138 BGB § 138 Absatz I BGB – dort, wo die Erfüllung von Weisungen gleichbedeutend damit wäre, die GmbH sehenden Auges in den Konkurs zu führen und damit zwangsläufig Gläubiger zu schädigen.
Daß aber der vom Kl. geführten Gesellschaft mit geradezu greifbarer Wahrscheinlichkeit der Konkurs gedroht hätte, hätte er die von der Alleingesellschafterin gewünschte Begrenzung der monatlichen Vergütungspauschale und die Aufhebung der langfristigen Vertragsbindung akzeptiert, war seinerzeit nicht anzunehmen, denn das, was auf der unmittelbaren Einnahmeseite verloren werden sollte – monatlich 20000 DM, jährlich 240000 DM – war auf der anderen Seite sichernd gedeckt durch die vertragliche Zusicherung der Alleingesellschafterin vom 25. 2. 1993, für die ersten drei Geschäftsjahre und damit auf weitere 18 Monate entstehende Verluste bis zur Höhe von 250000 DM jährlich auszugleichen. Da die Gesellschaft noch mit Gewinn arbeitete – hieraus folgt, daß die “Nachschußverpflichtung” nicht durch die mit der Nachtragsvereinbarung vom 25. 2. 1993 verbundene frühere Senkung der Monatspauschale aufgebraucht oder auch nur geschmälert worden war – ließ die gegebene Sicherheit auch aus pessimistischer Sicht vorausschauend jedenfalls genügend Raum, die Verkleinerung der Umsatzbasis durch eine Reduzierung des Personalbestandes oder notfalls durch eine geordnete Abwicklung des Geschäftsbetriebes ohne Konkurs auszugleichen. Unabhängig hiervon zeigt die weitere Entwicklung – wie sie der mit allen geschäftlichen Vorgängen vertraute Geschäftsführer auch in Rechnung stellen konnte –, daß die Geschäftslage eine Reduzierung des Personalbestandes und damit eine Eingrenzung der laufenden Geschäftsaufwendungen zuließ; nach Kündigung der Arbeitsverhältnisse zweier Mitarbeiter – und natürlich: dem Wegfall der Arbeitskraft des Kl. selbst – gelang es der Gesellschaft weiterhin, die anfallenden Aufträge zu erledigen und in begrenztem Rahmen nach wie vor Gewinne zu machen. Daß hierbei möglicherweise – so der Kl. mit dem Hinweis darauf, daß Rücklagen angegriffen werden mußten – die Kapitalbasis der Gesellschaft insgesamt geschwächt wurde, läßt nicht offenbar werden, daß gleichsam eine “galoppierende Konkursgefahr“ eingetreten wäre – Konkurs hat die Gesellschaft auch in der Folgezeit nicht gemacht.
Ein eigenes, vom Gesellschafterwillen unabhängiges “Recht auf langes Leben“ hatte die Gesellschaft weder unter diesem Aspekt der Erhaltung ihrer Kapitalbasis noch unter dem weiter in dem umstrittenen Nachtragsentwurf angesprochenen Aspekt einer Aufhebung der bisher festen Vertragslaufzeit. Gerade weil die GmbH juristische Person war und eigenständig am Geschäftsleben teilnahm, hatte sie sich auch den üblichen Wettbewerbs– und Geschäftsrisiken zu stellen, denen sich jedes Unternehmen stellen muß.
Die erteilte Weisung war auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie den Geschäftsführer in ihren Konsequenzen zwingen mußte, ihm “anvertraute” Arbeitnehmer zu entlassen. In moralischer Hinsicht gerechtfertigte Wünsche des Geschäftsführers, seiner Verantwortung für die ihm “anvertrauten” Arbeitnehmer gerecht zu werden, mußten sich wie auch alle sonstigen geschäftspolitischen Entschlüsse dem beherrschenden Willen der Alleingesellschafterin unterordnen. Ebensowenig begründete der von der Bekl. selbst andeutungsweise eingeführte wirtschaftliche Hintergrund der umstrittenen Weisung, der Wunsch, im Inland oder aus der Tätigkeit der C nur noch möglichst geringe zu versteuernde Gewinne zu machen, eine Unverbindlichkeit der Weisung. Es ist nicht Aufgabe des angestellten Geschäftsführers, Fiskalinteressen durchzusetzen.
Die Weisung war rechtmäßig, und der Kl. mußte sie befolgen. Ihre beharrliche Nichtbefolgung führte zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses. In der Rolle des Geschäftsführers war er aus der rechtlich – wie ausgeführt – zulässigen Sicht der Alleingesellschafterin nicht mehr tragbar, weil die Weigerung, den vorgelegten Entwurf zu unterzeichnen, den in der Willensbildungshierarchie der GmbH höher stehenden Willen der Alleingesellschafterin in der Umsetzung “blockierte”. Der in kurzer Zeit zu einem nicht mehr überwindbaren Gegensatz eskalierte Streit um die “richtige” Geschäftspolitik ließ auch die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses in einer gleichsam um die Geschäftsführerstellung reduzierten Form für die Gesellschaft nicht mehr zumutbar erscheinen. Wenn auch aus anerkennenswerten Motiven, hatte der Kl. sich doch eine eigenständig bestimmende Macht über die Geschäftspolitik der Gesellschaft angemaßt, die Gesellschafterin mußte befürchten, daß er die auf Gefühlsebene fast zwingend zu gewärtigenden Folgen einer “Degradierung” nicht ohne Folgen verarbeiten werde; sie mußte befürchten, daß nach der Abberufung aus der Geschäftsführerstellung auch aus seiner Sicht – gerade im Hinblick auf die “enttäuschte” langjährige Konzernzugehörigkeit – eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in verantwortlicher Position nicht mehr möglich war. Auch eine um die Geschäftsführerrechte entlastete Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses hätte nach der Höhe des Gehalts und im Blick auf die ihm des weiteren eingeräumten Pflichten und Ansprüche nur eine verantwortliche sein können.
Unabhängig hiervon hat der Kl. zu der Zeit, als eine zumindest dem äußeren Schein nach “bruchlose” Weiterbeschäftigung denkbar gewesen wäre, im Sommer 1994, auch nicht andeutungsweise den Wunsch und die Bereitschaft gezeigt, doch als “gewöhnlicher” Angestellter weiter für die Gesellschaft tätig zu sein.
OLG Frankfurt a.M. ( Senat Darmstadt ), Urteil vom 07.02.1997 – 24 U 88/95