Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG:
1. Hinsichtlich der Rechtsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern ist zu unterscheiden zwischen der Bestellung zum Organ der Gesellschaft und dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, das der Bestellung zu Grunde liegt.
2. Behauptet der gekündigte Geschäftsführer, es hätten zwei schuldrechtliche Rechtsverhältnisse bestanden (Geschäftsführerdienstverhältnis und ruhendes Arbeitsverhältnis), hat er im Einzelnen die Tatsachen darzulegen, aus denen sich dieses ergeben soll.
3. Der schuldrechtliche Vertrag des Geschäftsführers muss nicht mit der juristischen Person abgeschlossen werden, zu deren Organvertreter er bestellt werden soll. Wird ein bei einer Konzernobergesellschaft beschäftigter Arbeitnehmer zum Geschäftsführer einer konzernabhängigen Gesellschaft bestellt, kann der mit der Konzernobergesellschaft abgeschlossene Arbeitsvertrag auch die Rechtsgrundlage für die Geschäftsführerbestellung bei der Tochtergesellschaft sein.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier von der Bekl. ausgesprochener Kündigungen. Der Kl. stand seit dem 1. 5. 1998 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 10./11. 3. 1998 in einem Arbeitsverhältnis zur S-AG. Als Leiter Informationstechnologie bezog er ein Grundgehalt von jährlich 170 000 DM sowie eine erfolgsabhängige Tantieme. Die Bekl. ist eine Konzerntochter der S-AG. Sie firmierte zunächst unter der Bezeichnung SI-GmbH. Ende des Jahres 2000 übernahm die Bekl. für den Konzern schrittweise Aufgaben der Finanzbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsbuchhaltung und der Informationstechnologie und wurde zunächst in Sch SC-GmbH umbenannt. Am 29. 9. 2000 bestellte die Gesellschafterversammlung der Bekl. den Kl. zu einem der drei Geschäftsführer der Bekl. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 25. 1. 2001. Der Kl. nahm danach weiterhin die Aufgabe des Leiters der Informationstechnologie entsprechend der im Anstellungsvertrag vom 10./11. 3. 1998 umschriebenen Aufgabenstellung wahr. Im Jahr 2001 erfolgte die Umbenennung der Bekl. in die jetzige Firmenbezeichnung. Die Konzernmutter S-AG änderte Firmierung und Rechtsform in Sa-KG. Zum 1. 4. 2002 erfolgte ein Übergang des Betriebsteils Informationstechnologie von der Sa-KG auf die Bekl. Die Sa-KG informierte den Kl. mit Schreiben vom 9. 4. 2002 über den hierdurch bewirkten Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Gleichzeitig schlossen der Kl., die Bekl. und die Sa-KG eine dreiseitige „Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag”, die wie folgt lautet:
§ 1. Vertragsgegenstand. Zwischen der Sa-KG und dem Arbeitnehmer besteht ein Arbeitsverhältnis. Auf Grund einer gesellschaftsrechtlichen Neuordnung des Unternehmens tritt nunmehr die GmbH an die Stelle der Sa-KG, d.h., es findet ein Wechsel der Vertragspartei auf Seiten des Arbeitgebers statt.
§ 2. Wechsel des Arbeitgebers. Mit Wirkung zum 1. 4. 2002 tritt die GmbH an die Stelle der Sa-KG. Beginnend mit dem 1. 4. 2002 besteht das Arbeitsverhältnis damit ausschließlich zwischen der GmbH und dem Arbeitnehmer. Zwischen der Sa-KG und der GmbH besteht Einvernehmen, dass die Bezüge des Arbeitnehmers ab 1. 4. 2002 von der GmbH getragen werden.
§ 3. Sonstige Vertragsmodalitäten. Sämtliche zwischen den vormaligen Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Regelungen bezüglich des Arbeitsverhältnisses behalten ihre Gültigkeit auch für das Arbeitsverhältnis zwischen der GmbH und dem Arbeitnehmer …
Bei der Bekl. besteht eine Geschäftsordnung, in der die Aufgaben der drei Geschäftsführer näher bestimmt sind. Danach gibt es keine Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, die nicht der Zustimmung des Vorsitzenden der Geschäftsführung, Herrn S, bedürfen. Ende des Jahres 2002 bot die Bekl. dem Kl. den Abschluss eines von ihr entworfenen „GmbH-Geschäftsführer-Vertrags” an. Der Kl. lehnte das Vertragsangebot ab. Mit Schreiben vom 22. 3. 2004, zugegangen am 29. 3. 2004, kündigte die Bekl. „das seit dem 1. 5. 1998 … bestehende Anstellungsverhältnis” zum 30. 9. 2004. Auf Grund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Bekl. vom 1. 4. 2004 wurde der Kl. mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der Bekl. abberufen. Mit Schreiben vom 23. 6. 2005, zugegangen am 24. 6. 2005, erklärte die Bekl. vorsorglich eine weitere ordentliche Kündigung zum 31. 12. 2005.
Der Kl. hat geltend gemacht, zur Bekl. bestünden zwei Vertragsverhältnisse. Dies ergebe sich mittelbar aus der „Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag” vom April 2002 sowie aus dem Zwischenzeugnis vom 13. 12. 2002. Seiner Organstellung habe ein Geschäftsführerdienstverhältnis zu Grunde gelegen, das neben das zur Konzernmutter bestehende Arbeitsverhältnis getreten sei. Das Arbeitsverhältnis sei infolge des Betriebsübergangs auf die Bekl. übergegangen und habe als ruhendes fortbestanden. Die Kündigungen dieses Arbeitsverhältnisses seien nicht sozial gerechtfertigt. Die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt.
Das ArbG hat mit Beschluss vom 21. 9. 2004 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als „nicht gegeben” erachtet. Auf die Beschwerde des Kl. hat das LAG mit Beschluss vom 22. 12. 2004 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Das ArbG hat daraufhin die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. blieb erfolglos. Die Revision des Kl. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Die Kündigung der Bekl. vom 22. 3. 2004 bedurfte nicht der sozialen Rechtfertigung nach § 1 KSchG. Gem. § 14 Absatz I Nr. 1 KSchG finden die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes auf das zwischen den Parteien allein bestehende Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Der Kläger war als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Organ der Beklagte. Da der Kläger auf Grund seiner Organstellung gem. § 5 Absatz II Nr. 1 BetrVG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes galt, bedurfte es vor dem Ausspruch der Kündigung auch keiner Betriebsratsanhörung nach § 102 Absatz I BetrVG.
1. Das LAG hat gem § 559 ZPO bindend festgestellt, dass im Zusammenhang mit der Bestellung des Kl. zum Geschäftsführer der Bekl. kein weiteres Geschäftsführerdienstverhältnis zur Bekl. begründet wurde. Die Angriffe der Revision begründen keine andere rechtliche Beurteilung. Schuldrechtliche Grundlage der Organstellung des Kl. war allein der zu der Konzernmutter bestehende Arbeitsvertrag.
a) Hinsichtlich der Rechtsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern ist zu unterscheiden zwischen der Bestellung zum Organ der Gesellschaft und dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, das der Bestellung zu Grunde liegt. Aus der rechtlichen Trennung von Organ- und Anstellungsverhältnis folgt grundsätzlich, dass beide Rechtsverhältnisse rechtlich selbständig nebeneinander stehen (BGH [28. 10. 2002], NJW 2003, NJW Jahr 2003 Seite 351 = NZG 2003, NZG Jahr 2003 Seite 84 [zu 2a]). Durch die Bestellung als solche wird noch keine schuldrechtliche Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer begründet (Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 35 Rdnr. 166). Behauptet der gekündigte Geschäftsführer, es hätten zwei schuldrechtliche Rechtsverhältnisse bestanden (Geschäftsführerdienstverhältnis und ruhendes Arbeitsverhältnis), hat er im Einzelnen die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass eine klar unterscheidbare und trennbare Doppelstellung vorlag (vgl. BAG [10. 12. 1996], BAGE 84, BAGE Band 84 Seite 377 [BAGE Band 84 Seite 381]= NZA 1997, NZA Jahr 1997 Seite 674). Der schuldrechtliche Vertrag des Geschäftsführers muss nicht mit der juristischen Person abgeschlossen werden, zu deren Organvertreter er bestellt werden soll. Wird ein bei einer Konzernobergesellschaft beschäftigter Arbeitnehmer zum Geschäftsführer einer konzernabhängigen Gesellschaft bestellt, kann der mit der Konzernobergesellschaft abgeschlossene Arbeitsvertrag die Rechtsgrundlage für die Geschäftsführerbestellung bei der Tochtergesellschaft sein (BAG [8. 6. 2000], BAGE 95, BAGE Band 95 Seite 62 [BAGE Band 95 Seite 66] = NZA 2000, NZA Jahr 2000 Seite 1013 = NJW 2000, NJW Jahr 2000 Seite 3732 m.w. Nachw.).
b) Zwischen dem Kl. und der Konzernmutter der Bekl. wurde mit Wirkung vom 1. 5. 1998 ein Arbeitsverhältnis begründet. Dieser Vertrag ist anlässlich der Bestellung des Kl. zum Geschäftsführer der Bekl. nicht aufgehoben oder zum Ruhen gebracht worden. Der Kl. arbeitete weiterhin für die Konzernmutter der Bekl. und erhielt von ihr seine Vergütung. Zum Aufgabenbereich des Kl. gehörte nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer der Bekl. zum einen unverändert die Verantwortung für die Informationstechnologie im Konzern. Zum andern ist nach den nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LAG mit der Begründung der Organstellung die Tätigkeit für die bekl. Tochtergesellschaft in den bestehenden Arbeitsvertrag zur damaligen S-AG aufgenommen worden. Die Geschäftsführertätigkeit ist auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Abreden erbracht worden.
c) Der Kl. hat gegen diese Feststellungen keine begründeten Rügen erhoben.
aa) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der „Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag” vom April 2002 nicht zwingend der Schluss, zum Zeitpunkt der Bestellung zum Geschäftsführer sei zusätzlich zu dem bestehenden Arbeitsvertrag mit der Bekl. ein weiterer Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen worden. Der Kl. übersieht, dass er bis dahin in einem Arbeitsverhältnis zur Konzernmutter stand und dieses Arbeitsverhältnis ohne Weiteres schuldrechtliche Grundlage der zur Bekl. bestehenden Organstellung sein konnte (vgl. BAG [24. 11. 2005], BAGE 116, BAGE Band 116 Seite 254 = NZA 2006, NZA Jahr 2006 Seite 366 = NJW 2006, NJW Jahr 2006 Seite 1899; BAG [26. 5. 1999], NZA 1999, NZA Jahr 1999 Seite 987 = NJW 1999, NJW Jahr 1999 Seite 3731 = AP GmbHG § 35 Nr. AP GMBHG § 10 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 76). Soweit nach § 3 der „Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag” sämtliche zwischen den vormaligen Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Regelungen bezüglich des Arbeitsverhältnisses ihre Gültigkeit auch für das Arbeitsverhältnis zwischen der Bekl. und dem Kl. behalten sollten, haben die Vertragsparteien damit lediglich klarstellend zum Ausdruck gebracht, was ohnehin gem. § 613A Absatz I BGB Rechtsfolge des zum 1. 4. 2002 erfolgten Teilbetriebsübergangs war: Das zur Konzernmutter bestehende Arbeitsverhältnis des Kl. ging mit allen Rechten und Pflichten auf die Bekl. über und blieb einzige schuldrechtliche Grundlage der Organstellung des Kl. Der Kl. unterlag als dritter Geschäftsführer der Bekl. im Innenverhältnis unstreitig ganz erheblichen Beschränkungen und hatte keine eigene Entscheidungskompetenz. Nach der Geschäftsordnung bedurften alle Rechtsgeschäfte und Maßnahmen der Zustimmung des Vorsitzenden der Geschäftsleitung. Im Innenverhältnis blieb der Kl. auch nach dem Betriebsübergang in einer weisungsabhängigen Stellung.
bb) Aus dem Zwischenzeugnis vom 13. 12. 2002 ergibt sich gleichfalls nicht, dass neben dem Arbeitsvertrag vom 10./11. 3. 1998 konkludent ein weiterer Geschäftsführerdienstvertrag vereinbart worden ist. Dort ist zwar ausgeführt, zum Aufgabenbereich des Kl. habe zum einen die Verantwortung für die „IT im Konzern, zum andern die Geschäftsführung … der zentralen Dienstleistungsgesellschaft …” gehört. Aus dem Vorliegen zweier abgrenzbarer Aufgabenbereiche kann jedoch nicht zwingend auf das Bestehen zweier Vertragsverhältnisse geschlossen werden. Es ist vielmehr ohne Weiteres denkbar, dass auf der Grundlage eines Vertragsverhältnisses verschiedene Aufgaben wahrgenommen werden.
cc) Die Parteien haben nach dem Betriebsübergang keinen Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen. Der Kl. hat vielmehr das entsprechende Angebot der Bekl. abgelehnt. Bereits auf Grund dieser ausdrücklichen Ablehnung kann die im Zusammenhang mit den Verhandlungen über eine Änderung erfolgte Gehaltserhöhung nicht als konkludenter Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags bewertet werden.
2. Die Kündigung vom 22. 3. 2004 bedurfte keines sie rechtfertigenden Grundes.
a) Der Kl. unterlag zum Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung am 29. 3. 2004 nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz nach §§ 1ff. KSchG. Gem. § 14 Absatz I Nr. 1 KSchG gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 bis § 14 KSchG) in Betrieben einer juristischen Person nicht für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. § § 14 Absatz I Nr. 1 KSchG enthält eine negative Fiktion (BAG [17. 1. 2002], BAGE 100, BAGE Band 100 Seite 182 [BAGE Band 100 Seite 185f.]= NZA 2002, NZA Jahr 2002 Seite 854; BGH [25. 7. 2002], NZA 2002, NZA Jahr 2002 Seite 1040 = NJW 2002, NJW Jahr 2002 Seite 3104 [zu II 3a]). Die dort bezeichneten Personengruppen sind ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall ein Arbeitsverhältnis vorliegt, allein wegen ihrer organschaftlichen Stellung aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes herausgenommen. Die ordentliche Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers bedarf daher nicht der sozialen Rechtfertigung (vgl. BGH [3. 11. 2003], NJW-RR 2004, NJW-RR Jahr 2004 Seite 540 = NZG 2004, NZG Jahr 2004 Seite 90).
b) Der Kl. war am 29. 3. 2004 noch Geschäftsführer der Bekl. Die Abberufung ist erst am 1. 4. 2004 erfolgt. Neben dem Arbeitsverhältnis, das schuldrechtliche Grundlage der Organstellung bei der Bekl. war, gab es kein weiteres Vertragsverhältnis zur Bekl.
3. Die Kündigung vom 22. 3. 2004 ist nicht nach § 102 Absatz I 3 BetrVG unwirksam. Der Kl. galt zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung gem. § 5 Absatz II Nr. 1 BetrVG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.
4. Da das Arbeitsverhältnis bereits auf Grund der Kündigung vom 22. 3. 2004 zum 30. 9. 2004 geendet hat, ist der gegen die weitere Kündigung vom 23. 6. 2005 gerichtete Klageantrag ohne weitere Prüfung abzuweisen.
BAG, Urteil vom 25. 10. 2007 – 6 AZR 1045/06