Kündigungsschutzklage ist nach Freigabeerklärung nicht gegen den Insolvenzverwalter, sondern den Arbeitgeber zu richten
Mit der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters gemäß § 35 Abs. 2 InsO geht die Verfügungsbefugnis über die Arbeitsverhältnisse mit sofortiger Wirkung wieder auf den Arbeitgeber als Schuldner über. Der Insolvenzverwalter ist ab diesem Zeitpunkt für eine Kündigungsschutzklage nicht mehr passiv legitimiert.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der Arbeitgeber erklärte gegenüber dem Kläger die außerordentliche Kündigung wegen Insolvenz. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 15. Mai 2010 zu.
Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Arbeitgebers bestellte. Dieser teilte dem Arbeitgeber am 21. Mai 2010 schriftlich mit, dass er die von ihm ausgeübte selbständige Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse frei gebe.
Der Kläger hat am 01. Juni 2010 Kündigungsschutzklage erhoben. Der Beklagte meint, er sei in diesem Rechtsstreit nicht passiv legitimiert. Die Klage hätte gegen den Arbeitgeber gerichtet werden müssen. Durch die Freigabeerklärung habe der Arbeitgeber die Verfügungsbefugnis über die Arbeitsverträge wieder erhalten.
Das LAG Niedersachsen ist der Rechtsauffassung des Insolvenzverwalters gefolgt.
Die arbeitsrechtliche Wirkungen der Erklärung nach § 35 Abs. 2 InsOExterner Link liegen in dem Übergang der Arbeitgeberstellung. Die Haftung der Insolvenzmasse wird mit Wirksamwerden der Freigabe beendet. Der Schuldner tritt (wieder) in die Arbeitgeberstellung ein und wird damit Träger der Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen. Dies betrifft die Arbeitsverhältnisse, die bereits vor Insolvenzeröffnung sowie darüber hinaus bestanden und nunmehr im Wege der Freigabe dem Schuldner zugewiesen werden. Der Schuldner erlangt damit wieder die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, die durch die Insolvenzeröffnung gemäß § 80 InsO (zunächst) auf den Insolvenzverwalter überging.
In der Rechtsprechung und Literatur wird allerdings nicht einheitlich beurteilt, ob durch die Freigabe die Arbeitsverhältnisse mit sofortiger Wirkung auf den Arbeitgeber übergehen oder ob es noch einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter bedarf.
Die Kammer folgt jedoch der Auffassung, dass die Arbeitsverhältnisse im Falle einer Erklärung des Insolvenzverwalters gemäß § 35 Abs. 2 InsO mit sofortiger Wirkung an den Schuldner zurück fallen. Eine Kündigung sei überflüssig.
Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung in § 35 Abs. 2 InsO, wonach die Selbständigkeit des Schuldners gefördert und die Masse geschützt werden soll.
Somit erhielt der Arbeitgeber mit Zugang der Erklärung des Beklagten gemäß § 35 Abs. 2 InsO am 21. Mai 2010 die Verfügungsbefugnis über die Arbeitsverträge zurück mit der Folge, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt seine Kündigungsschutzklage gegen den Arbeitgeber hätte richten müssen. Dies hat er nicht getan.