Urlaubsabgeltungsanspruch besteht auch bei ruhendem Arbeitsverhältnis

Auch in einem wegen Bezugs einer befristeten Erwerbsminderungsrente ruhenden Arbeitsverhältnis entsteht Jahr für Jahr der gesetzliche Mindesturlaub. Dieser Anspruch verfällt nicht mit dem Ende des Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 BUrlG ).

Die schwerbehinderte Klägerin ist bei der Beklagten beschäftigt. Nachdem die Klägerin im Jahre 2008 noch vier Urlaubstage in Anspruch genommen hatte, ruhte das Arbeitsverhältnis seit dem 1. November 2008, da die Klägerin zunächst eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente und später dann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezog. Das Arbeitsverhältnis wurde am 30. April 2011 beendet.

Die Klägerin machte eine Abgeltung ihres Urlaubs für die Jahre 2008 bis 2010 sowie anteilig für 2011 geltend.

Die Beklagte entgegnet, dass der Fall der Erwerbsminderung nicht mit dem der Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen sei. Denn im Fall der Erwerbsminderung ersetze die Rentenzahlung nicht nur die Vergütung, sondern quasi auch den Urlaubsanspruch. Die Urlaubsansprüche würden während des Ruhens nicht erlöschen, sondern gar nicht erst entstehen.

Die Klägerin hat für die Jahre 2009 und 2010 sowie die ersten vier Monate des Jahres 2011 Anspruch auf Abgeltung ihres gesetzlichen Jahresurlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlGExterner Link sowie des Zusatzurlaubs gemäß § 125 SGB IX, entschied das LAG Berlin-Brandenburg.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch könnte allenfalls auf der Grundlage einer gesetzlichen Vorschrift entfallen, die anordnen würde, dass für den Zeitraum des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen des Bezugs einer befristeten Erwerbsminderungsrente der Arbeitgeber den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat um 1/12 kürzen kann. An einer solchen gesetzlichen Vorschrift fehlt es jedoch sowohl im BUrlG, im SGB IX wie auch im SGB VI. Deshalb besteht der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs einschließlich des Urlaubs nach § 125 SGB IX fort.

Hinzuweisen ist insoweit auch auf § 1und § 4 BUrlG. Danach gibt es für das Entstehen des Urlaubsanspruches nur zwei Tatbestandsvoraussetzungen; den Bestand des Arbeitsverhältnisses und den Ablauf der Wartefrist. Die Tatsache, dass die Klägerin wiederum während des Ruhens seines Arbeitsverhältnisses keine Arbeitsleistung erbracht hat, wirkt sich ebenso wenig auf die Entstehung des Urlaubsanspruches aus wie bei einem Arbeitnehmer, der aufgrund dauernder Arbeitsunfähigkeit die Arbeitsleistung nicht erbrachte.

Hinzu kommt, dass beim ruhenden Arbeitsverhältnis lediglich die wechselseitigen Hauptleistungspflichten entfallen. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung ist dagegen eine auf Gesetz beruhende Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis. Diese Nebenpflicht wird durch das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nicht tangiert.

Die Revision wurde zugelassen, da es zur Frage des Urlaubsanspruchs und der daraus resultierenden Urlaubsabgeltung nach einem ruhenden Arbeitsverhältnis noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.07.2012; Aktenzeichen: 10 Sa 368/12

(Quelle: Rechtsprechungsdatenbank Berlin-Brandenburg)

Kein doppelter Urlaubsanspruch bei Doppelarbeitsverhältnis nach unwirksamer Kündigung

Im Fall eines wegen unwirksamer Kündigung bestehenden Doppelarbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer im Umfang des ihm bereits erteilten Urlaubs grundsätzlich keinen weiteren Urlaubsanspruch.

Der Anspruch auf Urlaub besteht nach § 6 Abs. 1 BUrlG nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Die Vorschrift regelt den Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubsjahrs den Arbeitgeber wechselt. Sie erfasst jedoch nicht den Fall, dass ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen ist und festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. In einem solchen Fall liegt ein Doppelarbeitsverhältnis vor.

Einem doppelten Urlaubsanspruch stehe entgegen, dass der Arbeitnehmer im Falle eines Obsiegens im Kündigungsrechtsstreit grundsätzlich so zu stellen ist, als hätte keine tatsächliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden. Zwar handele es sich beim Urlaub nicht um Entgelt für geleistete Dienste, sodass die Anrechnungsvorschriften § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB keine unmittelbare Anwendung finden. Wegen der Gleichheit der Interessenlage sei jedoch eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen geboten, so das BAG.

BAG, Urteil vom 21.02.2012 – 9 AZR 487/10

Jetzt sagt auch das BAG: Urlaubsanspruch langzeiterkrankter Arbeitnehmer verfällt 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres

Bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern entsteht der gesetzliche Urlaubsanspruch auch dann, wenn ihr Arbeitsverhältnis wegen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente ruht. Allerdings verfällt er 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 07.08.2012 entschieden. Die zeitliche Begrenzung hat es in Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG vorgenommen, nachdem der Europäische Gerichtshof in seiner «KHS/Schulte»-Entscheidung vom November 2011 einen gesetzlich oder tarifvertraglich vorgesehenen Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres für zulässig erachtet hatte.

Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war vom 01.07.2001 bis zum 31.03.2009 als Angestellte in der Rehabilitationsklinik der Beklagten beschäftigt und erhielt eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 2.737,64 Euro. Im Jahr 2004 erkrankte sie, bezog ab dem 20.12.2004 eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung und nahm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Tätigkeit für die Beklagte nicht mehr auf. Nach dem TVöD, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand, ruht das Arbeitsverhältnis während des Bezugs einer Rente auf Zeit. Außerdem vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen tariflichen Zusatzurlaubs für jeden Kalendermonat des Ruhens um ein Zwölftel. Die Klägerin verlangte die Abgeltung von 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009 mit 18.841,05 Euro brutto.

Die Vorinstanzen gaben der Klage bezüglich der Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen statt. Sie verurteilten die Beklagte zur Zahlung von 13.403,70 Euro brutto und wiesen die Klage hinsichtlich der Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs ab. Dagegen legte die Beklagte Revision ein.

Die Revision der Arbeitgeberin hatte größtenteils Erfolg. Die Klägerin habe gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG nur Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und Zusatzurlaubs aus den Jahren 2008 und 2009 mit 3.919,95 Euro brutto. In den Jahren 2005 bis 2007 seien die nicht abdingbaren gesetzlichen Urlaubsansprüche trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zwar entstanden. Das BAG führt dazu aus, dass der Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG auch dann bestehe, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat und eine tarifliche Regelung bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis während des Bezugs dieser Rente auf Zeit ruht. Denn der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch stehe nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien.

Der Abgeltung der gesetzlichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 bis 2007 steht laut BAG jedoch entgegen, dass sie vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG mit Ablauf des 31.03. des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen seien. Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern sei § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wonach im Fall der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, europarechtskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfalle. Das BAG weist auf die geänderte EuGH-Rechtsprechung zum zeitlich unbegrenzten Ansammeln von Urlaubsansprüchen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer hin. In seiner «KHS/Schulte»-Entscheidung vom November 2011 erachtete der EuGH einen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres für zulässig.

Fazit:

Das BAG folgt damit der Rechtsprechung einiger Landesarbeitsgerichte , u.a. auch dem LAG Baden-Württemberg. Damit dürfte nunmehr Rechtsklarheit bezüglich dem Verfall von Ansprüchen auf Resturlaubsabgeltung bestehen, sofern dies den gesetzlichen Mindesturlaub betrifft.

BAG, Urteil vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10

Arbeitgeber ist an zu viel errechneten Urlaub gebunden

Sichert ein Arbeitgeber im Kündigungsschreiben die Auszahlung einer bestimmten Zahl von Urlaubstagen zu, muss er diese Zusage einhalten. Das gilt auch dann, wenn dieser aufgrund einer fehlerhaften Angabe im Personalabrechnungssystem zu hoch angegeben wurde.

Die Parteien streiten über die Höhe des abzugeltenden Urlaubs. Der Kläger war bei dem Beklagten als Angestellter beschäftigt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis schriftlich. In dem Schreiben hieß es, der Kläger erhalte eine Urlaubsabgeltung von 43 Tagen. Die Angabe über die Urlaubsabgeltung erfolgte auf Wunsch des Klägers.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten die Abgeltung von 43 Urlaubstagen.

Der Beklagte trägt vor, aufgrund eines neuen Personalabrechnungssystems seien die Urlaubstage falsch berechnet worden und in den Lohnabrechnungen unzutreffend angegeben worden. Dem Kläger hätten maximal 13 Urlaubstage zugestanden. Die mit der Abrechnung beauftragte Angestellte habe mit dem Kläger die letzte Lohnabrechnung besprochen, die dann erstellt worden sei. Der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich, wenn er auf der Abgeltung von 43 Urlaubstagen bestehe.

Der Beklagte hatte mit dieser Argumentation vor dem LAG Köln keinen Erfolg.

Die Erklärung in dem Kündigungsschreiben, der Kläger erhalte eine Urlaubsabgeltung von 43 Tagen, stellt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Es war damit bezweckt, die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage mit dem Ausspruch der Kündigung abschließend festzulegen und einem Streit bei der späteren Abwicklung zu entziehen.

Die Parteien habe es nicht dabei belassen, anhand der Angaben über die Urlaubstage in den monatlichen Lohnabrechnungen diesen Anspruch beim Ausscheiden des Klägers abzuwickeln. Lohnabrechnungen haben nicht den Zweck, die Ansprüche endgültig festzulegen. Bei einem Irrtum kann daher grundsätzlich keine Seite am Inhalt einer Lohnabrechnung festgehalten werden. Ihr kann somit nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber die Zahl der angegebenen Urlaubstage auch dann gewähren will, wenn er diesen Urlaub nach Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag nicht schuldet.

Gerade angesichts dieses Umstandes muss der von dem Beklagten durch Unterschrift bestätigten Erklärung in dem Kündigungsschreiben die weiterreichende Bedeutung zukommen, dass die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage etwaigen Neuberechnungen des Beklagten von vornherein entzogen werden sollte.

Der Beklagte hat das deklaratorische Schuldanerkenntnis nicht wirksam angefochten. Es kommt nur ein Motivirrtum in Betracht, nämlich ein Irrtum darüber, es bestehe eine Verpflichtung zur Abgeltung von 43 Urlaubstagen, während der Beklagte nunmehr annimmt, diese habe nicht bestanden. Ein derartiger Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) begründet kein Anfechtungsrecht.

Der Kläger ist auch nicht ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, sich auf das Schuldversprechen in dem Kündigungsschreiben zu berufen. Selbst wenn er positive Kenntnis vom Berechnungsirrtum des Beklagten hatte, folgt daraus noch nicht eine unzulässige Rechtsausübung. Als mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar wird man die Annahme einer fehlerhaft berechneten Verpflichtung nur dann ansehen können, wenn die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist, etwa weil er dadurch in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde.

LAG Köln, Urteil vom 04.04.2012, 9 Sa 797/11

Urlaubsabgeltungsansprüche bestehen auch bei ruhendem Arbeitsverhältnis nur für die letzten 15 Monate

Nachdem der EuGH mit der Entscheidung vom 20.01.2009 (Aktenzeichen: RS C – 350/06) entschieden hatte, dass gesetzliche Urlaubsansprüche nicht erlöschen, wenn ein Arbeitnehmer erkrankt und deshalb arbeitsunfähig war, hatte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg nunmehr klargestellt, dass die angesammelten Urlaubstage spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres untergehen. Dies gelte auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund (stillschweigender) Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ruhend gestellt wurde.

Für den Arbeitnehmer heißt dies, dass eine Ansparung von Urlaubstagen bei dauernder Arbeitsunfähigkeit über mehrere Jahre nicht möglich ist. Vielmehr hat der Arbeitnehmer zukünftig darauf zu achten, dass er seine Urlaubsansprüche, welche er im Falle seiner Arbeitsunfähigkeit nicht geltend machen kann, bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres  im Klageweg geltend macht, damit diese nicht verfallen.

Arbeitnehmer, welche davon betroffen sind, müssen daher die angesparten Urlaubstage für das Jahr 2010 bis spätestens zum 31.03.2012 gerichtlich geltend machen.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2011 – 10 Sa 19/11

Kein doppelter Urlaubsanspruch bei Doppelarbeitsverhältnis nach unwirksamer Kündigung

Im Fall eines wegen unwirksamer Kündigung bestehenden Doppelarbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer im Umfang des ihm bereits erteilten Urlaubs grundsätzlich keinen weiteren Urlaubsanspruch.

Der Anspruch auf Urlaub besteht nach § 6 Abs. 1 BUrlG nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Die Vorschrift regelt den Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubsjahrs den Arbeitgeber wechselt. Sie erfasst jedoch nicht den Fall, dass ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen ist und festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. In einem solchen Fall liegt ein Doppelarbeitsverhältnis vor.

Einem doppelten Urlaubsanspruch stehe entgegen, dass der Arbeitnehmer im Falle eines Obsiegens im Kündigungsrechtsstreit grundsätzlich so zu stellen ist, als hätte keine tatsächliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden. Zwar handele es sich beim Urlaub nicht um Entgelt für geleistete Dienste, sodass die Anrechnungsvorschriften § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB keine unmittelbare Anwendung finden. Wegen der Gleichheit der Interessenlage sei jedoch eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen geboten, so das BAG.

BAG, Urteil vom 21.02.2012 – 9 AZR 487/10

Urlaubsanspruch darf nicht von Mindestarbeitszeit abhängen

Arbeitnehmer haben auch dann Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, wenn sie während des gesamten Bezugszeitraums krankgeschrieben waren. Wie der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 24.01.2012 entschieden hat, darf der Jahresurlaubsmindestanspruch nicht von einer effektiven Mindestarbeitszeit abhängig gemacht werden. Dies verstieße gegen Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG, so der EuGH.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens erlitt Ende 2005 auf dem Weg von ihrer Wohnung zu ihrem Arbeitsort einen Unfall und war infolgedessen bis Anfang Januar 2007 krankgeschrieben. Für diesen Zeitraum begehrte sie 22,5 Urlaubstage, hilfsweise eine Urlaubsabgeltung von etwa 1.970 Euro. Ihr Arbeitgeber, das Centre informatique du Centre Ouest Atlantique (CICOA), lehnte dies ab. Vor den französischen Gerichten machte die Klägerin geltend, dass der Wegeunfall ein Arbeitsunfall gewesen sei, der unter die Regelung für Arbeitsunfälle falle. Deshalb müsse der Zeitraum der durch den Wegeunfall bedingten Arbeitsunterbrechung für die Berechnung ihres bezahlten Urlaubs tatsächlicher Arbeitszeit gleichgesetzt werden. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen ohne Erfolg.

Der EuGH hat entschieden, dass die französische Regelung, wonach die Entstehung des Urlaubsanspruch von einer zehntägigen Mindestarbeitszeit während des Bezugszeitraums abhängig ist, gegen Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie verstößt. Der EuGH betont, dass der Jahresurlaubsanspruch ein besonders bedeutsamer Grundsatz des europäischen Sozialrechts ist und weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten die Entstehung dieses Anspruchs selbst nicht von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen und bereits die Entstehung des ausdrücklich allen Arbeitnehmern zuerkannten Anspruchs ausschließen dürfen. Außerdem bestätigt der EuGH seine Feststellung aus dem Schultz-Hoff-Urteil, wonach die Richtlinie nicht zwischen Arbeitnehmern, die während des Bezugszeitraums krankheitsbedingt abwesend gewesen sind, und solchen unterscheide, die während dieses Zeitraums tatsächlich gearbeitet haben. Daraus folge, dass ein Mitgliedstaat den nach der Richtlinie allen Arbeitnehmern zustehenden Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmern nicht von der Voraussetzung abhängig machen dürfe, dass sie während des von diesem Staat festgelegten Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben. Laut EuGH gestattet die Richtlinie den Mitgliedstaaten aber, die Dauer des Urlaubs je nach dem Grund der krankheitsbedingten Fehlzeiten unterschiedlich zu gestalten, sofern die Urlaubsdauer länger als die von der Richtlinie gewährleistete Mindestdauer von vier Wochen oder genauso lang wie diese ist.

Das französische Gericht müsse nun prüfen, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des französischen Rechts erlaubt, die Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgrund eines Wegeunfalls den Fehlzeiten infolge eines Arbeitsunfalls gleichzustellen. Nach der Richtlinie dürfe das Recht eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nicht beeinträchtigt werden, gleich, ob er während des Bezugszeitraums infolge eines Unfalls am Arbeitsplatz oder anderswo oder aber infolge einer Krankheit, welcher Art oder welchen Ursprungs auch immer, krankgeschrieben sei. Für den Fall, dass eine richtlinienkonforme Auslegung nicht möglich sei, hänge eine unmittelbare Berufung auf die Richtlinie von der Rechtsnatur des CICOA ab, da der Einzelne sich gegenüber Privaten nicht unmittelbar auf eine Richtlinie berufen könne (keine horizontale Direktwirkung). Sei eine unmittelbare Geltung der Richtlinie zwischen der Klägerin und der CICOA zu bejahen, müsse das französische Gericht jede entgegenstehende innerstaatliche Rechtsvorschrift unangewendet lassen. Könne die Klägerin die Richtlinie nicht unmittelbar geltend machen, müsse sie eine Haftungsklage gegen den Staat erheben, um den Schaden ersetzt zu bekommen, der ihr wegen Verletzung ihres Rechts aus der Richtlinie auf bezahlten Jahresurlaub entstanden ist.

EuGH, Urteil vom 24.01.2012 – C-282/10

Urlaubsansprüche gehen bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahrs unter

Urlaubsansprüche gehen bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahrs unter und sind bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten. Dies hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entschieden

Der Kläger war von 2006 bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 30.11.2010 arbeitsunfähig erkrankt. Er begehrt die Abgeltung von Urlaubsansprüchen der Jahre 2007 bis 2009. Das LAG hat ihm Abgeltungsansprüche für das Jahr 2009 zugesprochen. Es hat entschieden, dass Urlaubsansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 zum Zeitpunkt des Ausscheidens bereits verfallen waren.

Gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG gehe der Urlaubsanspruch am Ende des ersten Quartals des Folgejahres unter, erläutert das LAG. Als Folge der Schultz-Hoff-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs habe das Bundesarbeitsgericht im Wege der unionsrechtskonformen Rechtsfortbildung entschieden, dass gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche nicht erlöschen, wenn Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen arbeitsunfähig sind.

Das LAG verweist zudem auf eine weitere Entscheidung des EuGH vom November 2011, wonach eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre nicht geboten und eine nationale Regelung mit einer Begrenzung des Übertragungszeitraums von 15 Monaten unionsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Zugleich stellt es klar, dass eine Abweichung von der durch den nationalen Gesetzgeber geschaffenen Befristungsregelung in § 7 Abs. 3 BUrlG im Wege der unionsrechtlichen Rechtsfortbildung durch die nationale Rechtsprechung nur legitimiert ist, soweit dies das Unionsrecht gebietet. Urlaubsansprüche gingen daher bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres unter und seien bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2011 – 10 Sa 19/11